Dominique Horwitz: TOD IN WEIMAR

Mordsspass in Weimar

17. August 2015
Mysteriöse Todesfälle in einer Seniorenresidenz, ein Pferdekutscher als Ermittler und narrenfreie Alte, die Schiller proben: Dominique Horwitz präsentiert mit „Tod in Weimar“ großes Theater.

Goethe, Schiller – Mord. Spätestens seit dem MDR-„Tatort“ „Die fette Hoppe“ wissen wir, dass Weimar nicht nur ein Freilichtmuseum der schönen Künste ist, sondern als pastellfarbene Kulisse für schräge Kriminalfälle taugt. Der Schauspieler, Sänger und Regisseur Dominique Horwitz hat die schrille Nuance seiner Wahlheimat lustvoll weitergesponnen und stellt sich mit „Tod in Weimar“ als hintersinnig-humoriger Kriminalautor vor.

Geriet Schauspieler Horwitz als Pferdekutscher Caspar Bogdanski im „Tatort“ noch unter Mordverdacht, lässt Autor Horwitz seinen Kutscher Roman Kaminski zum Undercover-Ermittler in einer mysteriösen Mordserie werden. Der Tod geht um in der Villa Gründgens: rafft einen Mimen der hauseigenen Theatergruppe nach dem anderen hinweg, die in der Seniorenresidenz für ehemalige Bühnenkünstler Schillers „Räuber“ einstudiert.

Horwitz, der gerade im Deutschen Nationaltheater zu Weimar den „Wallenstein“ gibt, lässt es auch im Roman „schillern“ und krachen, mit schreiend komischen Figuren, die – der Schauspieler  schreibt – in derb-witzigen Dialogen zu Fleisch und Blut werden. Da wäre zum Beispiel Mucken-Michi, maulaffiger Brusthaar-zur-Schau-Steller, der als Regisseur der Oldie-Gruppe enga­giert ist, sich aber ausschließlich mit schlüpfrigen Dummsprüchen in die Herzen der Leserschaft schleicht. Oder die madamig-zwitschernde, sexhungrige Altenheimchefin Trixi Muffinger. Oder Frettchen, fäkalsprachige Punk-Teenie, die vor ihrem prügelnden Vater und vor tumben Nachwuchsnazis Zuflucht bei Kaminski sucht. Und natürlich er, der Kutscher: Wie Horwitz im realen Leben ist er von Hamburg nach Weimar gezogen, besser: gestrandet aus Leidenschaft. Überhaupt hat Horwitz seinem Romanhelden einige biografische Parallelen verpasst. Wie dieser findet auch Kaminski seine Wahlheimat selbst nach Jahren noch etwas befremdlich. Eine Stadt, die im Bewusstsein der Menschen kaum als modern und heutig wahrgenommen wird, wie Horwitz es formuliert.

Leben in der Geschichtsprovinz. Ausgerechnet er. 1957 kommt Horwitz in Paris zur Welt, als Sohn von Deutschen, die wegen ihres jüdischen Glaubens vor den Nazis dorthin geflohen waren. Als er 14 ist, kehrt die Familie nach Berlin zurück. Mit 19 erhält der Stürmer und Dränger seine erste TV-Rolle, ein Jahr später folgt der erste Kinofilm, dann macht sich das Multitalent auf, die ­Theaterbühnen in Tübingen, München, Hamburg zu erobern. In Dieter Wedels Film „Der große Bellheim“ und Joseph Vilsmaiers „Stalingrad“ gelingt ihm international der Durchbruch.

VIEL BESCHÄFTIGTER ALLROUND-KÜNSTLER
Theater, Fernsehen, Kino – nicht genug für den rastlosen Kreativen, der ständig etwas macht, was er „unbedingt“ auch noch machen muss. Zum Beispiel singen. Seit 1983 interpretiert Horwitz Chansons von Jacques Brel, Brecht und Weill, beschäftigt sich mit Musik, Literatur, führt Regie – quer durch ganz Europa. Und dann Weimar. Bei Dreharbeiten lernte Horwitz 2003 dort seine zweite Frau Anna kennen – und blieb. Eine innige Liebesgeschichte, die er seinem scheuen Romanhelden ebenfalls gönnt. Auch Kaminski ist in die lebenskluge Inhaberin seines Lieblingslokals verliebt und quält sich mehr oder weniger ungeschickt damit, dies zu zeigen.

Vertrackte Gegenwart im Ort mit „zementierter Vergangenheit“, wie Horwitz es nennt – von der auch Kaminski als Touristenkutscher lebt. Goethe, Schiller, Buchenwald. Damit kennen sich Autor wie Romanheld jedenfalls bestens aus. Denn der Kutscher war früher ebenfalls Schauspieler und würzt jede Situation des rasanten Mordgeschehens mit Klassikerzitaten. „Nein, nicht von Goethe, liebe Trixi Muffinger, von Schiller!“ Jenen Sohn, den die Goethe-Stadt so leichtfertig unter „ferner liefen“ laufen lässt. Eine Ignoranz, die Horwitz mit seinem Romanerstling nebenbei auch noch geradebiegt, während er der Dichterfürstenstadt leichthändig und süffisant das pralle Leben einhaucht. Er musste beim Schreiben oft schallend lachen, sagt Horwitz. Seine Leserschaft wird es auch.