Es klingt wie eine Mutprobe für Schüchterne: nachts bei fremden Leuten klingeln und dann nicht wegrennen, sondern Gespräche forcieren. Exakt dieses eigentümliche Verfahren schätzt das weibliche Ich in Mercedes Lauensteins Erzählband. Neben Sockengeruch, Milch und Whiskey haben die Aufgescheuchten dem sonderbaren Überraschungsgast viel Alltagsphilosophie anzubieten – was dem Buch zu sanfter Melancholie verhilft.
Auch Verena Lueken, langjährige Kulturkorrespondentin bei der „FAZ“, hat eine Namenlose als Protagonistin gewählt: In New York sieht sich die Deutsche mit der Diagnose Lungenkrebs konfrontiert – für sie der Anlass, all ihre Intellektualität, ihr Wissen über Kino und Literatur aufzubieten gegen die drohende Abschiebung ins Reich der Kranken. Weniger ergreifend, aber durchaus lebenswichtig sind die Fragen, mit denen sich in „Lieben lassen“ die Fotokünstlerin Alex und der Werbetexter Tom, beide erfolgreich und um die 30, herumzuschlagen haben: Ab wann sind Bindungsängste Glückshindernisse, und fühlt sich Zweisamkeit so prickelnd an wie Single-Freiheit? Für die Antwort des kreativen Paars gibt die Biennale in Venedig die angemessen romantische Kulisse ab.
Zwei männliche Perspektiven verschränkt indes Angela Steideles Briefroman: Ein junger Irrenarzt korrespondiert hier angeregt mit dem bayerischen Märchenkönig Ludwig II., und zwar über die höchst normabweichende Vita von Anastasius Rosenstengel. Hinter dem Namen verbarg sich – der Fall ist real – immerhin eine gewisse Catharina Margaretha Linck: In Männerkleidern ging sie nicht nur als Prophet und Musketier durch, sondern heiratete – satte 300 Jahre vor der Erfindung der Homoehe – eine Frau.