Peter Wohlleben: DAS GEHEIME LEBEN DER BÄUME

Mütterliche Riesen

20. November 2015
Bäume sind uns ähnlicher, als wir glauben. Sie kommunizieren miteinander, umsorgen einander und haben vielleicht sogar ein Gedächtnis. Ein faszinierendes Buch über das geheime Leben in unseren Wäldern.

Wir sind stolz auf unseren Wald. Spätestens seit der Romantik gilt er den Deutschen als Sehnsuchtsort, als heimliches Nationalheiligtum. Aber wie viel wissen wir eigentlich über die Bäume, denen wir uns so verbunden fühlen? Peter Wohlleben, Förster in der Eifel und zuständig für einen der letzten alten Buchenwälder, hat nun ein wunderbares Buch geschrieben, das uns einige ihrer schönsten Geheimnisse enthüllt.

Wer hätte zum Beispiel gewusst, dass Bäume soziale Wesen sind und der Kommunikation fähig? Treiben irgendwo Parasiten ihr Unwesen, knabbern Blätter an oder bohren sich in die Rinde, dann warnen die befallenen Bäume ihre Artgenossen im Umkreis, indem sie Duftstoffe ausstoßen. Auf diese Weise können die gesunden Exemplare Gift- und Bitterstoffe einlagern und damit die Angreifer in die Flucht schlagen.

Auch wer Bäume bisher nicht gerade für rücksichtsvoll hielt in ihrem Kampf um Licht und Ressourcen, wird von Peter Wohl­leben eines Besseren belehrt. Buchen zum Beispiel kuscheln gern. Sie schätzen es, nah beieinander zu stehen, auch wenn so jede einzelne weniger Licht, Wasser und Nährstoffe erhält. Über ein Pilz­geflecht an ihren Wurzeln versorgt die Gemeinschaft sogar Artgenossen, die auf weniger begünstigten Plätzen stehen, mit einer Nährlösung.

Gelegentlich wird sogar das Wurzelwerk eines vor Jahrhunderten gefällten Baumes auf diese Weise weiter am Leben erhalten. Vielleicht, mutmaßen Forscher, ist in den Überresten des alten Baumes ein Wissen um Trockenperioden und Ähnliches gespeichert, das für die Baumgemeinschaft unentbehrlich ist.

Auch der eigene Nachwuchs wird nicht etwa als Konkurrenz betrachtet, sondern  über Jahrzehnte mit einer Glucoselösung „gesäugt“. Nur so können die kleinen Buchen, die im Kreis um ihre Mutter stehen, im Dämmerlicht der unteren Etagen überhaupt überleben. Dass sie trotzdem langsam wachsen, wird vom Mutterbaum streng überwacht. Denn wer einen stabilen Stamm ausbilden und 200 oder 300 Jahre alt werden möchte, sollte es in den ersten Jahrzehnten langsam angehen.

Peter Wohllebens erstaunliches Buch ist prallvoll mit solchen und ähnlich faszinierenden Neuigkeiten aus der Welt der Bäume. Ein Fest für jeden Waldfreund.