Kate Morton: DAS SEEHAUS

Sehnsucht nach Cornwall

3. März 2016
Sie fesselt mit dunklen Geheimnissen der Vergangenheit. Kate Mortons neuer Roman „Das Seehaus“ erzählt von einer verfallenen Villa, einer großen Liebe und einem verschwundenen Kind.

Cornwall begeistert sie. „Ich liebe diese Region mit den windgepeitschten Küsten und wunderschönen Wildblumen, den üppigen Gärten und weiß gekalkten Häusern“, sagt die aparte Australierin mit den langen, dunklen Haaren. Kate Morton strahlt, wenn sie vom Südwesten Großbritanniens spricht, der bereits in ihren früheren Büchern eine Rolle spielt und jetzt wieder in  „Das Seehaus“, ihrem neuen großen Roman. Die eher zurückhaltende, auf den ersten Blick fast schüchterne Bestsellerautorin macht es ihrem Gegenüber leicht, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Schon nach wenigen Sätzen ist das Eis gebrochen, sie wird immer offener und lebhafter.

Kate Morton fesselt mit geheimnisvollen, wunderbar atmosphärischen Romanen. Sie verweben Gegenwart und Vergangenheit ineinander, der neue geht bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück. „Ich sammle über Monate Ideen und Notizen, recherchiere, spüre, atme die Atmosphäre meiner Geschichten, bevor ich zu schreiben beginne.“ Dass sie gern in vergangene Zeiten eintaucht, hat viel mit ihrer Mutter zu tun, die als Antiquitätenhändlerin gearbeitet hat. „Schon als Kind war ich fasziniert von alten Gegenständen, versuchte zu ergründen, was sich in ihnen verbirgt.“

Im Mittelpunkt ihres neuen Romans steht ein altes Landgut an einem See in Cornwall, auf das die Londoner Polizistin Sadie im Jahr 2003 stößt. Seit 70 Jahren ist es verlassen, die Natur hat sich den Garten längst zurückgeholt. „Es ist, als ob das Haus in einem Dornröschenschlaf liegt und nur darauf wartet, dass die Wahrheit es wieder zum Leben erweckt“, sagt Kate Morton – und so versucht Sadie herauszufinden, warum dieses schöne Anwesen sich selbst überlassen wurde.

Sie erfährt, dass in der Mittsommernacht 1933 der kleine Theo verschwand, der einjährige Sohn der wohlhabenden Edevanes, die hier zurückgezogen mit ihrem Personal lebten. Die Polizei fand nicht eine Spur, nicht einen Hinweis darauf, ob es ein Unglück war oder eine Entführung. Die Familie verließ das Haus am See und kehrte nie mehr zurück. Um das Rätsel nach Jahrzehnten doch noch zu lösen, nimmt Sadie Kontakt zu einer Schwester Theos auf, die längst eine berühmte Krimiautorin geworden ist – und noch im Alter ihr eigenes Geheimnis mit sich trägt. Von ihr erzählt Kate Morton in ihrem Roman und von Theos Eltern, von ihrer Liebe und davon, wie der Erste Weltkrieg ihr Leben veränderte.

Kate Morton gilt als Erfinderin dieser Art des Schreibens: eine Genremischung aus historischem und Liebesroman, die zugleich Krimimomente enthält. Zu ihrem Mix fand sie, als sie die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben hatte, ihre Geschichten veröffentlichen zu können. „Ich schrieb nur noch für mich, schickte ‚Das geheime Spiel‘ nur aus Gewohnheit an meine Literaturagentin, glaubte aber nicht wirklich daran, dass es dieses Mal klappen könnte“, erinnert sich die 39-Jährige. Aber es gelang, und seither erreicht sie mit ihren Büchern weltweit ein Millionenpublikum. Kate Morton ist die aktuell erfolgreichste australische Autorin.

England als magischer Ort
„Das Seehaus“ ist Mortons fünfter veröffentlichter Roman. Für ihn hat sie mehr Zeit als sonst gebraucht: drei Jahre, weil ihr dritter Sohn zur Welt kam. Von ihrer Familie spricht sie mit viel Wärme, und die Geburt ihres Sohns spiegelt sich im neuen Buch: Kinder und Kindheit sind ein großes Thema, das sich berührend durch die Vergangenheits- wie die Gegenwartskapitel zieht.
Kate Morton liebt ihre Familie und das Schreiben – und sie liebt Großbritannien. „Ich habe als Kind immer wieder ‚Der Zauberwald‘ von Enid Blyton verschlungen“, und so wurde England für die Australierin zu einem magischen Ort wie Narnia, erzählt sie. „Als ich mit 17 zum ersten Mal auf die Insel kam, war es, als würde ich durch eine magische Pforte in die Fantasiewelt meiner Kindheit treten.“

Jetzt ist sie mit ihrem Mann und ihren Kindern von Brisbane aus dorthin gezogen: nach London, in die Metropole, die sie aufregend findet – nicht allzu weit entfernt von Cornwall, dieser verzaubert scheinenden Region mit den alten Herrenhäusern und verwunschenen Gärten, den Felsküsten und alten Schmugglergängen, die vom Meer bis zu manchem Haus gegraben sind. Genau die richtige Landschaft für ihre geheimnisvollen Familiengeschichten.