Literarische Debüts

Rasant unterwegs

4. März 2016
Vom Wedding über Frankfurt nach Teheran, dann Zwischenstopp in ­Karatschi, ­weiter Richtung Russland und in die USA – weit herum kommt man mit fünf bemerkenswerten Erstlingswerken dieses Bücherfrühlings

Nach außen wow, innen mau: Für die Männer im Weddinger Kiez ist Lässigkeitsgrinsen Pflicht; aber eigentlich wissen der Box-Promoter Aris und der im Späti jobbende Sedar, dass sie eher Versager als Durchstarter sind. Der Roman „Großer Bruder Zorn“, geprägt von durchaus ironischer Street-Credibility, besetzt den Berliner Mikrokosmos des Scheiterns auch mit anrührenden weiblichen Antihelden, allen voran die alleinerziehende, beklemmend resignative Jessi: „Kann alles sein“ lautet die frühe Lebensbilanz der Discounter-Kassiererin – ihrer Erfahrung nach erweist sich nämlich die schlimmste aller Erwartungen oft als die zutreffende.

In einem coolen Telegrammstil à la „Normal kein Problem“ oder „Sonst, wie gesagt, Maul“ würde Paul – der berückend naseweise, zwölfjährige Star des Briefromans „Flokati“ – es niemals wagen, seiner Deutschlehrerin schriftlich seine große Schuld zu beichten. Im Fußball-WM-Jahr 1974 hadert der gran­dios geschwätzige Knabe zudem mit verkrachten Eltern sowie einer zu Abkürzungen neigenden Schwester, die brüsk „WIEH“ brüllt, wenn sie der Familie „Wie ich euch hasse!“ zurufen möchte. Fünf Jahre später setzt das hochaktuelle Debüt „Nachts ist es leise in Teheran“ ein – und entfaltet, ausgehend vom Epizentrum der Iranischen Revolution, über 30 Jahre im Format einer Familiengeschichte die Vision einer helleren Zukunft: ohne Gottesstaat und Terrorismus. Die Sehnsucht nach globalem Frieden nährt auch Bilal Tanweer, und zwar mit einem vielstimmigen, in Pakistan angesiedelten Prosawerk.

Dagegen lassen die trotzigen Storys der Australierin Abigail Ulman vor allem eines hoffen: dass reale Girls sich im Niemandsland zwischen kindlicher Keckheit und forciertem Erwachsensein ebenso gut behaupten wie diese Protagonistinnen.