Jonas Jonasson: MÖRDER ANDERS UND SEINE FREUNDE ...

Am Rande des Wahnsinns

18. April 2016
Ein Ganove mit Spitznamen Mörder-Anders, jede Menge durchgeknallte Typen und eine Story, die frech, witzig und absurd über die Stränge schlägt: Auch Jonas Jonassons dritter Roman ist ein furioses Schelmenstück.

Es gab Zeiten, da standen schwedische Autoren nicht gerade unter Humorverdacht. Gelegentlich hatte man vielmehr den Eindruck, dass im hohen Norden ausschließlich finstere Thriller mit melancholischen Ermittlern geschrieben werden. Bis im Sommer 2011 ein Roman mit einem merkwürdig sperrigen Titel erschien. Jonas Jonasson hatte vorher noch kein Buch veröffentlicht und war sich unsicher, ob sein Humor südlich von Ystad überhaupt verstanden würde. Seine Sorge erwies sich als unbegründet. Der Roman über einen schrulligen Hundertjährigen, der in Pantoffeln aus dem Altenheim ausbüxt und damit eine skurrile Räuberpistole in Gang setzt, wurde ein Riesenhit – allein in Deutschland hat sich das Buch mehr als vier Millionen Mal verkauft.

„Ich hatte schon immer so seltsame Storys im Kopf“, bekannte Jonasson anschließend. Nur leider als Chef einer Medienconsulting-Firma mit 100 Angestellten lange keine Gelegenheit, die Einfälle zu Papier zu bringen. Erst als er sich von der Firma trennte, war Zeit für verrückte Ideen. Dem Hundertjährigen, der einst Mao half, General Franco das Leben rettete und in den Bau der Atombombe verwickelt war, folgte mit der zahlenbegabten Analphabetin gleich der nächste Bestseller. Und weil Jonassons Sympathie für skurrile Figuren und rabenschwarzen Humor offenbar keine Grenzen kennt, hat er in seinem jüngsten Roman mit Mörder-Anders einen weiteren genialen Antihelden erfunden: „Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind“ lautet der Jonasson-typische Titel des neuen Buchs.

Liebe statt Hiebe
Erzählt wird die Geschichte eines eher einfältigen Verbrechers mit Spitznamen Mörder-Anders, der einer geschäftstüchtigen, atheistischen Pfarrerin und einem Hotel-Rezeptionisten über den Weg läuft. Das Trio gründet eine „Körperverletzungsagentur“ mit Mörder-Anders als dem Mann fürs Grobe. Eine sprudelnde Einnahmequelle – bis Mörder-Anders den Weg zu Jesus findet.

Frei nach dem Motto „Liebe statt Hiebe“ stampfen die drei flugs die nächste Geschäftsidee aus dem Boden. Sie rufen eine Kirche ins Leben, deren Attraktion neben einem bekehrten Mörder als Pastor vor allem großzügig verabreichter Messwein ist. Solcherart berauscht, sind die Schäfchen nur allzu gern bereit, großzügig den Klingelbeutel zu füllen. Sehr zum Ärger geprellter schwedischer Gangster, die mit Mörder-Anders ihrerseits eine Rechnung offen haben. Jonasson-Fans können sich denken, dass dies längst nicht das Ende einer turbulenten Story ist, die immer neue, absurde Haken schlägt.

Wie in seinen anderen Romanen nimmt Jonas Jo­nasson auch hier Themen der Zeit kräftig auf die Schippe: den Reflex, jedem Medienhype wie ein Rudel Lemminge zu folgen, ebenso wie die Gutgläubigkeit der Menschen und ihr Bedürfnis nach Religion und Sinnsuche. Und natürlich den Hang der Schweden nach zeitraubender Bürokratie. „In einem Land, in dem es 200 Jahre keinen Krieg gegeben hat, hatte man jede Menge Zeit, so gut wie alles zu reglementieren, was friedlicher Natur war“, heißt es im Roman – was Mörder-Anders und seine Gefährten mehr als ein Mal zu spüren bekommen.

Inspiration Gotland
Man fragt sich, woher Jonas Jonasson all die Einfälle und Ideen für seine Bücher hernimmt, die in einer Mischung aus Schelmenroman und irrer Gesellschaftssatire stets am Rande des Wahnsinns balancieren.

Vielleicht hat es ja mit der Insel Gotland zu tun, wo der Bestsellerautor wohnt und arbeitet und die ihm den Nährboden für seine kreativen Höhenflüge bietet. Während das Quecksilber im Winter schon mal auf minus 30 Grad sinkt, mutiert die ehemalige Heimat der Wikinger im Sommer zu einer Art Mallorca der Ostsee. Angesichts des mediterranen Flairs ist die „Sonneninsel“ nicht nur das Top-Urlaubsziel vieler Schweden. Hier wurden Håkan Nessers Krimis verfilmt und unweit der Insel-Hauptstadt Visby steht die berühmte Villa Kunterbunt aus den Pippi-Langstrumpf-Filmen, die allesamt auf Gotland gedreht wurden. Und so respektlos und verwegen wie das Mädchen mit den roten Zöpfen sind auch die Helden von Jonas Jonasson, der in seinen Romanen mit Fantasie und Fabulierlust die Leser verzaubert.