Jenny Downham: DIE UNGEHÖRIGKEIT DES GLÜCKS

Dem eigenen Weg folgen

18. April 2016
Drei Frauen, drei Generationen und eine behutsame Annäherung: Auch in ihrem neuen Roman besticht die britische Erfolgsautorin Jenny Downham wieder mit vielschichtigen Charakteren und ihrem wunderbaren Gespür für Zwischentöne.

Jenny Downham schaut genau hin. Es ist ihr Blick fürs Detail, für den besonderen Augenblick, der die britische Bestsellerautorin auszeichnet und mit dem sie in ihren Romanen eine hohe atmosphärische Dichte erzeugt. Vor fast zehn Jahren wurde Downham, eine zarte Frau mit einigen Lachfältchen um strahlend blaue Augen, von ihrem eigenen Erfolg überrollt: Auf Anhieb stand sie mit ihrem Debüt „Bevor ich sterbe“ auf den Bestsellerlisten. Der Roman über ein todkrankes Mädchen und seine letzten Wünsche erschien in mehr als 30 Ländern, verkaufte sich über 500 000 Mal, wurde mit verschiedenen Literaturpreisen ausgezeichnet und mit Dakota Fanning und Jeremy Irvine verfilmt.

Downham hat die Fähigkeit, auch belastende Themen wie Krankheit und Tod intensiv, authentisch und mit großer Wärme darzustellen, ohne dass sie einem unerträglich nahegehen. Eine Fähigkeit, die sie nun in ihrem dritten Roman wieder unter Beweis stellt: „Die Ungehörigkeit des Glücks“ ist ein Buch über drei Frauen, über drei Generationen, über Familiengeheimnisse, Verlust und die Sehnsucht nach Nähe. Zart und gefühlvoll zeichnet Downham die Innen- und Außenwelt ihrer so unterschiedlichen Protagonistinnen nach: Enkelin Katie, ein neugieriger Teenager auf der Suche nach Orientierung. Mutter Caroline, eine starke Frau mit einer gescheiterten Ehe im Gepäck und einem sorgenvollen Blick in die Zukunft. Und Großmutter Mary, auch im hohen Alter sprühend vor Abenteuerlust und Lebensfreude. Drei Frauen also, die Wesentliches miteinander teilen und einander dennoch fremd sind.

Das Leben der 17-jährigen Katie verändert sich, als ihre Mutter Caroline widerwillig entscheidet, dass Großmutter Mary zu Hause einzieht – genau genommen: mit ihr das Zimmer teilen wird. Ihre Großmutter kennt Katie nicht, denn die Familie hatte seit vielen Jahren keinen Kontakt zu Mary, und Caroline ist nicht gut auf sie zu sprechen. Über die Gründe dafür herrscht Schweigen. In dieses Schweigen hinein beginnt Enkelin Katie nachzuforschen. Sie will dem Unausgesprochenen auf die Spur kommen. Kein einfaches Unterfangen, denn Mary leidet an Alzheimer, und Caroline ist selten bereit, über die Vergangenheit zu sprechen. Downham beschreibt die drei Frauen und deren Umgang mit der Situation und der Krankheit zutiefst berührend, wohl auch, weil ihre eigene Mutter dement war. Sie starb, während Jenny Downham noch an „Die Un­gehörigkeit des Glücks“ schrieb. Und so hat sie Mary auch einige Eigenschaften ihrer Mutter mitgegeben: Wie diese erzählt Mary gern Geschichten aus ihrer Vergangenheit, die nicht immer ganz der Wahrheit entsprechen.

Bei aller Tragik ist „Die Ungehörigkeit des Glücks“ ein lebensbejahendes Buch, das Mut macht, dem eigenen Weg zu folgen, auch gegen Konventionen und Widerstände. Jenny Downham, 1964 in London geboren, ist nicht nur eine hervorragende Erzählerin. Sieben Jahre lang arbeitete sie als Schauspielerin, bevor sie mit dem Schreiben begann. Sie tourte mit einer freien Theatergruppe durch das Land und trat in Jugendzentren, Gefängnissen oder Kliniken auf. Eine wertvolle Zeit für die Autorin, in der sie ihr Gespür für die Darstellung komplexer Charaktere, menschlicher Entwicklungen und leiser Zwischentöne verfeinert hat – mit der direkten Resonanz des Publikums.

Von der Schauspielerin zur Autorin
Als Jenny Downham ihren zweiten Sohn zur Welt brachte, beendete sie ihre Schauspielkarriere und fand mit dem Schreiben eine neue kreative Arbeit. In „Die Ungehörigkeit des Glücks“ wird ihr tiefes Verständnis für Rollen- und Perspektivwechsel spürbar: Mit außerordentlichem Geschick und großem psychologischem Einfühlungsvermögen zeigt sie den Facettenreichtum ihrer Figuren. Inspiration dazu findet Downham im Alltag. „Ich beobachte genau, was auf welche Weise um mich herum passiert“, erklärt sie und lacht. Einen festen Plot habe sie nicht, ihre Figuren entwickeln sich beim Schreiben. „Dann brauche ich nur noch eine starke Tasse Kaffee und eines fügt sich zum anderen“, erklärt Downham. In „Die Ungehörigkeit des Glücks“ hat es sich wieder ganz wunderbar gefügt.