Bodo Kirchhoff: WIDERFAHRNIS

"Eine Liebesgeschichte reicht nicht aus"

21. November 2016
Bodo Kirchhoff wurde für „Widerfahrnis“ kürzlich mit dem Deutschen Buchpreis 2016 ausgezeichnet. Ein Gespräch mit dem Autor über seinen wunderbar zarten und zugleich wuchtigen Roman.  

Wie fühlt man sich als frisch gekürter Gewinner des Deutschen Buchpreises?
Der Moment, als bei der Preisverleihung mein Name fiel, war ganz wunderbar. Mein Sohn, der neben mir saß, hat aus tiefer Seele „Ja“ gerufen. Und auch meine Tochter hat da gemerkt, dass ich nicht nur „etwas abseitige Dinge für ältere Menschen“ mache. Seitdem wird mir überall eine große Sympathie entgegen­gebracht – das tut mir sehr gut.

Im Mittelpunkt von „Widerfahrnis“ stehen Julius Reither und Leonie Palm – beide sind auf dem Weg, ein Liebespaar zu werden. Aber ist es auch ein politisches Buch?
Es war nicht als solches geplant. Anfangs hat mich nur ein Mann interessiert, der seinen Verlag aufgegeben hatte und eine Rotweinflasche nicht aufbekam. Dann gab es Schritte vor der Tür. Aber all das war zu wenig; eine Liebesgeschichte reicht nicht aus, auch wenn sie ungewöhnlich ist. Meine Frau sagte: „Lass es.“

Sie haben es nicht gelassen. Wie ging es weiter?
Ich war auf Sizilien und es kam etwas für mich sehr Bewegendes hinzu: die Flüchtlinge. Mir fiel auf, dass wir immer nur ihre große Zahl sehen. Es gab eine Begegnung mit einem bettelnden Mädchen, ich habe ihm 20 Euro gegeben und wollte sehen, was es damit tut. Wie meine Hauptfiguren bin ich da hineingeraten. Und dann fing ich an zu schreiben. Dass „Widerfahrnis“ nun die Jury überzeugt hat, freut mich sehr.