Sofie Sarenbrant: DER MÖRDER UND DAS MÄDCHEN

"Es sind meine eigenen Ängste"

20. Februar 2017
In Schweden wird sie bereits als die neue Königin der skandinavischen Kriminalliteratur gefeiert. Jetzt erscheint in Deutschland Sofie Sarenbrants erster Thriller. Es sind Albtraumvisionen, die sie zu einem packenden Krimi verwoben hat. 

Nachts schleicht ein Mann durch ein fremdes Haus und ­beobachtet ein schlafendes Kind. Bald darauf wird der ­Vater des Kindes tot aufgefunden. So beginnt der Schwedenkrimi „Der Mörder und das Mädchen“, der vor wenigen Tagen endlich auch in Deutschland erschienen ist.  „Es sind meine eigenen Ängste, die sich in solchen Szenen ­niederschlagen“, sagt Sofie Sarenbrant in Stockholm, als sie via ­Skype mit dem Buchjournal über ihren Roman spricht. Die Albtraumvisionen, die ihr dauernd durch den Kopf geistern, merkt man ihr nicht an: Auf dem Bildschirm ist eine selbstbewusste, lebhafte und sympathische Frau zu sehen.

Schon die erste Szene Ihres Krimis geht unter die Haut. Wie gelingt es Ihnen, so zu schreiben?
Die Eingangsszene geht darauf zurück, dass ich mit anderen Kaufinteressenten ein Haus besichtigt habe. Es war verwahrlost, ich fand es beklemmend und habe mich gefragt, was dort passiert sein könnte, welche Geschichten in den Mauern stecken. Das war so unheimlich, dass ich geradezu geflohen bin, ohne der Maklerin Bescheid zu geben. So konnte sie nicht sicher sein, dass ich wirklich weg bin. Es hätte sein können, dass ich noch dort bin oder jemand anderes sich im Keller versteckt hat und später, wenn die Bewohner zurück sind, durch das Haus schleicht. Diese Überlegungen haben mich so sehr beunruhigt, dass ich nachts nicht schlafen konnte. Daraus ist der Krimi entstanden.

Ihre Ermittlerin Emma Sköld hat es schwerer als ihre männlichen Kollegen bei der Polizei in Stockholm, sie muss sich laufend behaupten. Sind hier eigene Erfahrungen eingeflossen?
Als Journalistin war ich einmal in einer Sportredaktion die einzige Frau und habe mich sehr ausgegrenzt gefühlt. Die Kollegen sind ohne mich zum Essen gegangen und haben mir nicht einmal Telefonnummern weitergegeben. Das war 2001. Seitdem hat sich zum Glück einiges verändert. Aber auch heute noch ist es für junge Frauen schwierig, unter Beweis zu stellen, was sie können. So ist es auch für Emma. Alle sehen nur die junge, gut aussehende Frau, und sie muss immer wieder beweisen, dass sie kompetent ist. So ähnlich habe ich mich früher auch gefühlt.

Ist Emma die Figur, die Ihnen am nächsten steht?
Ich bin ihr nahe, aber auch anderen Frauenfiguren. Cornelia ist mir sehr wichtig, die Frau, durch deren Haus nachts ein Unbekannter schleicht. Sie ist von ihrem Mann misshandelt worden, hat eine furchtbare Zeit hinter sich und wird dann auch noch verdächtigt, ihn ermordet zu haben. Ihre Geschichte hat mich sehr berührt. Nahe fühle ich mich auch Emmas Schwester Josefine, die irgendwie Familie und Beruf zusammenzubringen versucht. 

Wie vereinbaren Sie selbst Beruf und Familie?
Als die Kinder klein waren, war das für uns schwierig. Damals waren mein Mann und ich beruflich sehr eingespannt. Heute sind unsere Töchter zehn und zwölf, und seit gut vier Jahren bin ich freiberufliche Autorin und damit flexibler als früher. Aber nach wie vor ist es uns wichtig, die Aufgaben zu teilen.

Sie schreiben ausschließlich Krimis. Was reizt Sie an diesem Genre?
Ich habe schon als Kind die Bücher von Agatha Christie verschlungen, und ich liebe es bis heute, Krimis zu lesen. Es ist ein faszinierendes Genre, weil es spannend und unterhaltsam ist, ich aber auch wichtige Themen aufgreifen kann, wie eben häusliche Gewalt oder Gleichberechtigung. Vermutlich habe ich das Genre aber auch gewählt, weil es mir die Gelegenheit gibt, meine Ängste zu verarbeiten. 

Wie hat das begonnen?
Mit meiner ersten Schwangerschaft. Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte?, habe ich mich damals gefragt. Dann habe ich einen Krimi über eine Frau geschrieben, die schwanger ist und in Südschweden verschwindet. Die Vorstellung, dass nicht nur ein Mensch betroffen ist, sondern zwei, ist erschreckend.

Bei Ihrem Krimi „Der Mörder und das Mädchen“ bleibt das Ende offen: Emma Sköld scheint in Gefahr zu sein. Muss man sich Sorgen um sie machen?
Die beiden nächsten Fälle sind geschrieben und werden bald auch in Deutschland erscheinen. Ich will nichts verraten, nur so viel: Es wird hart für Emma, ich schone meine Figuren nicht.