Literarische Debüts

Verdacht auf Frühwerk

27. Februar 2017
Zugegeben, nicht jedes Debüt ist gleich der Auftakt zu einem Œuvre. Als ­lesenswert dürfen Roman-Erstlinge aber ­in jedem Fall ­gelten, sind sie doch oft dichter und klarer als ­alles, was noch folgen mag. Vier Empfehlungen. 

Zugegeben, nicht jedes Debüt ist gleich der Auftakt zu einem Œuvre. Als ­lesenswert dürfen Roman-Erstlinge aber ­in jedem Fall ­gelten, sind sie doch oft dichter und klarer als ­alles, was noch folgen mag. Vier Empfehlungen.  → Andrea rinnert

Jede unglückliche Kindheit verläuft wohl auf ihre eigene Art unglücklich. Und trotzdem wirkt es wahrhaftig, wenn das namenlose Mädchen in dem Roman „Dass wir uns haben“ eine Familiensituation mit geradezu klassischer Rollenverteilung durchlebt. In Erinnerungssequenzen von kammerspielartiger Dichte offenbart sich Stück für Stück eine hochexplosive, leidvolle  Viererkonstellation: Das Klima im Haus prägt der Vater, unberechenbar in seiner Gewaltbereitschaft und Rücksichtslosigkeit; oft vergeblich sucht die duldsame, schwer kranke Mutter, eine Malerin, den Sohn und  die kleine Tochter zu beschützen. Während die Ich-Erzählerin als Minderjährige dieser bürger­lichen Hölle zunächst ausgeliefert bleibt, sieht sich Paolo in „Fontane Numero 1“ zu einem Ausbruch in der Lage: Als er sich mit 30 „kraftlos, verloren und entmutigt“ fühlt, gefangen in einer Schaffenskrise, kehrt er Mailand den Rücken – und mietet sich, inspiriert von schriftstellernden Zivilisationsverächtern wie Thoreau, für ­den Sommer eine abgelegene Berghütte. Wird er in der Einsamkeit, beim Holzhacken den „wilden Kerl“ in sich wiederbeleben können? 

Der markante Held von „Tierchen unlimited“ hingegen braucht kein eremitisches Experiment, um seine Unangepasstheit auszuleben: Einst dem bosnischen Bürgerkrieg ent­ronnen, verschlägt es ihn, traumatisiert und daher zornerfüllt, unter Pfälzer Neonazis. Nur selten sitzt er im „Adrenalinloch“, seine Erinnerungen unter einer „grauen Plane“ – zum Glück hat Ex-Hauptschulfreundin Sarah nicht bloß viele Muskeln, sondern als ­Polizistin eher staatsfreundliche Rachepläne.

Mit tragikomischen Momenten  wartet bei aller Gesellschaftskritik auch Bernd Fischerauer auf: Der öster­reichische Regisseur lässt im Graz der Nachkriegszeit den Teenager Adolf, genannt „Burli“, an der Vergangenheit seines Vaters, eines Keksvertreters, (ver)zweifeln …