Carla Berling: MORDKAPELLE

"Humor gehört zum Krimi dazu"

6. April 2017
Auf einer defekten Schreibmaschine fing Carla Berling an. Heute sind ihre Krimis mit der Reporterin Ira Wittekind Kult. Ein Gespräch über ihre Karriere und den neuen Krimi „Mordkapelle“.

Das miserable Wetter macht ihr nichts aus: 40 Minuten ist ­Carla Berling durch Wind und Regen gegangen, um sich den Kopf durchpusten zu lassen. „Mordkapelle“ ist gerade gedruckt, ihr neuer Krimi über den grausamen Mord an dem Apotheker Ludwig Hahnwald, über finstere Intrigen und die dunkle Vergangenheit ­eines Dorfes. Inzwischen schreibt sie schon am nächsten Roman, erzählt sie in einem Eiscafé im Kölner Süden, und wie immer ist sie tief in den neuen Fall eingetaucht. Die Autorin hat ihrer Hauptfigur viel von sich mitgegeben: Ira Wittekind ist – wie sie selbst früher – in Ostwestfalen als Lokalreporterin unterwegs.

In „Mordkapelle“ geht es einem Apotheker an den Kragen. Warum gerade ihm – haben Sie schlechte Erfahrungen mit Pharmazeuten in Bad Oeynhausen gemacht?
Nein! Meinen Krimis liegen aber immer reale Begebenheiten zugrunde, und in diesem Fall hat mir jemand von einem angesehenen Apotheker erzählt, der im verborgen vor der Öffentlichkeit sehr üble Taten begangen hat. Seine Geschichte habe ich aufgegriffen, sie aber in Ira Wittekinds Umfeld verortet.

Ira Wittekind berichtet nicht nur für ihre Zeitung, was sie von der Polizei über den Mord erfährt, sondern gräbt selbst immer tiefer. Was treibt sie an?
Es geht ihr um die Geschichten hinter den Schlagzeilen: Was hat jemanden so wütend gemacht, dass er den Apotheker Ludwig Hahnwald, den „schönen Ludwig“, tötet – einen Mann, der bei Frauen sehr gut ankam? 

Sie waren wie Ira Wittekind einige Jahre als Lokalreporterin tätig. Wie sind Sie schließlich dazu gekommen, Bücher zu schreiben?
Das hat mich immer fasziniert, mein erstes „Buch“ entstand auch schon vor meiner Zeit als Journalistin. Das war in den 1990er Jahren. Damals wollte ich eigentlich Hausfrau sein und mich um unsere beiden Söhne kümmern. Mein erster Mann war aber arbeitslos, wir hatten kein Geld, und dann wurde die Heizung abgestellt. Ich wollte mal eben – sehr naiv – einen Best­seller schreiben, um alle Rechnungen bezahlen zu können. Also bin ich zum Flohmarkt marschiert, habe mir für 50 Mark eine Schreibmaschine gekauft und losgelegt. Leider war ein Buch­stabe defekt. Ich habe dann 300 Seiten geschrieben und das verdammte „e“ mit der Hand eingefügt, um am Ende festzustellen, dass das Manuskript Murks war.

Wie ging es nach dieser Enttäuschung mit Ihrer Karriere als Autorin weiter?
Ich wollte schreiben lernen, und zwar bei der Lokalzeitung. Ich habe mich dort vorgestellt, die Redakteure haben danach aber nichts mehr von sich hören lassen. Schließlich habe ich auf eigene Faust eine Autorenlesung besucht und Fotos gemacht, einen Text geschrieben und ihn am nächsten Morgen in die Redaktion ­gebracht. Das war mein erster Artikel. Danach begann eine sehr intensive Zeit: Ich habe für die Lokalredaktion bis zu 90 Termine im Monat wahrgenommen, von Hochzeiten bis zu Opernvorstellungen, wie Ira Wittekind es auch tut.

Und wie sind Sie dann vom Journalismus zurück zum Schreiben von Büchern gekommen?
Für einen Job bin ich nach Bonn gezogen. Mein Mann wollte mit den Kindern in Bad Oeynhausen bleiben und später nachkommen. Aber dann platzte mein Projekt, und ich hatte nicht mal Geld, um die Kosten für den Umzug zurückzubezahlen. Zudem war unsere Ehe am Ende, mein Leben schien ein Scherbenhaufen zu sein. Damals habe ich mit dem Schreiben begonnen, das war auch eine Art Therapie. So sind meine „Jesses Maria“-Bücher entstanden, und schließlich habe ich meinen ersten Fall mit Ira ­Wittekind geschrieben.

Wie wichtig ist Ihnen bei den Krimis die humorvolle Seite?
Sehr wichtig! Durchgehend ernste, melancholische oder düstere Geschichten sind nicht mein Ding. Ich will erzählen, was hinter den Gardinen geschieht – aber dann muss man auch wieder Luft holen können. Ich erzähle in meinen Krimis von Abgründen, aber Humor und Idylle gehören unbedingt dazu. Deshalb wohnt Ira auch auf dem Hof Eskendor, einem schönen Anwesen, das ­ihrem Partner und seiner Familie gehört. Er kocht für sie, wenn sie gestresst nach Hause kommt, und massiert ihr den Nacken.

Auf Eskendor leben zwei skurrile, sehr unterhaltsame alte Tanten. Wie sind Sie auf die beiden gekommen – gibt es reale Vorbilder für sie?
Es sind verschiedene Vorbilder, vor allem meine Schwester und ich selbst: Wir reden auch gern so, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Unsere Tanten Friedchen und Sophie waren die Namensgeberinnen, und eine unserer Großmütter spielte ebenfalls hinein: Sie lief auch immer mit diesen heruntergerollten Strümpfen rum, hatte das Herz aber auf dem rechten Fleck. Dass all diese ­unterschiedlichen Aspekte Raum finden können – ernste Themen, Familiendramen, skurrile Figuren oder auch die Liebe –, das reizt mich sehr am Krimi.