Petra Hülsmann: DAS LEBEN FÄLLT, WOHIN ES WILL

Strandlektüre zum Träumen

9. Juni 2017
Party, Spaß und Freiheit sind das Aller­wich­tigste für Marie – bis ihre Schwester Christine schwer ­erkrankt. Marie muss sich um Christines Kinder kümmern und in der familieneigenen Werft arbeiten. Darauf hat Marie aber ebenso wenig Bock wie auf ihren neuen „Chef“, den oberspießigen Daniel. 

Lesen Sie rein in unsere Lesprobe von Petra Hülsmanns Roman "Das Leben fällt, wohin es will":

Dein Boot?“, wiederholte ich perplex. Bisher hatte ich angenommen, diese Behauptung wäre nur ein Teil des Spiels gewesen.

„Ja.“ Er hielt kurz inne, dann sagte er: „Noch ist es meins.“

„Die Blue Pearl gehört dir?“

„Die was?“

Oh je. Das war mir so rausgerutscht. „Das Boot hatte keinen Namen, daher habe ich es Blue Pearl genannt.“

„Kein schlechter Name“, sagte Daniel lächelnd. Er lehnte sich zurück und ließ seinen Blick über uns schweifen. „Soso, und ihr seid also Piraten.“

Toni und Max nickten.

„Captain Jack Sparrow?“, fragte Daniel.

„Klaus Störtebeker“, sagte ich.

„Ah. Klar.“

„Marie war nämlich mit uns bei Störtebekers Kopf“, erklärte Toni. „Das ist aber nur noch ein Skelett mit riesengroßen Löchern, wo vorher die Augen waren. Der sah echt cool aus.“

Daniel nickte. „Ja, ich weiß. Ich war auch schon mal da. Wusstet ihr eigentlich, dass jemand den Kopf mal aus dem Museum geklaut hat?“

„Was, echt?“, fragte ich. „Den Totenschädel?“

„Ja. Der war eine Zeitlang verschwunden, weil ein Typ ihn rausgeschmuggelt und zuhause als Kerzenleuchter verwendet hat.“

Ich prustete los. „Das hast du dir doch ausgedacht.“

„Nein! Nur das mit dem Kerzenleuchter.“

Max bekam große Augen. „Können wir den Kopf nicht auch klauen?“

„Auf gar keinen Fall“, sagte ich schnell. „So was machen wir nicht.“

„Klar. Ihr kapert nur Boote“, stellte Daniel trocken fest.

„Ja, aber ich dachte doch, dass die Blue Pearl niemandem gehört. Wieso bist du denn nie hier, das ist so ein tolles Boot. Ich kann gar nicht glauben, dass es deins ist.“

„Na, vielen Dank auch.“ 

„Wo hast du es überhaupt her? Ich will auch so eins.“

Er wich meinem Blick aus. „Das könnte schwierig werden. Es gibt nämlich nur eins davon, und darauf sitzen wir gerade.“

„Und wer hat es gebaut?“ – „Ich.“

Wenn ich nicht schon gesessen hätte, hätte ich mich glatt setzen müssen. Die Kinnlade fiel mir runter, und ich starrte Daniel wortlos für mehrere Sekunden an. Er hatte dieses Boot gebaut? Meinen Zufluchtsort, meine Oase des Friedens und der inneren Ruhe? Er hatte das Boot gebaut, in das ich mich auf den ersten Blick verliebt hatte? Das ging echt zu weit.