Rainer Löffler: DER NÄHER

"Eine kranke Seele"

9. Juni 2017
Ein Serienmörder macht Jagd auf Frauen. Ein zufälliger Leichenfund konfrontiert Fallanalytiker Martin Abel mit dessen entsetzlichen Taten – und bringt ihn auf die Spur des „Nähers“. Ein Interview mit dem Ermittler aus Rainer Löffler Thriller.

Herr Abel, es heißt, dass sich niemand so gut in die Psyche eines Mörders hineinversetzen kann wie Sie. Stimmt das?
So würde ich das nicht ausdrücken. Ich schaue mir einfach nur alles genau an und zähle dann eins und eins zusammen.

Und was sahen Sie, als Sie in die Grube hinabstiegen und das erste Opfer des „Nähers“ fanden? 
Alles, was der Mörder dort für uns hinterlassen hat. Das getrocknete Blut. Der skelettierte Körper. Und natürlich das, was die Leiche in der Hand hielt. All das verrät uns etwas über den Mörder, denn er hat es nicht zufällig genau so angeordnet.

Ist es nicht furchtbar, sich so etwas ansehen zu müssen?
Natürlich. Aber um einen Mörder zu verstehen, muss man sein Werk betrachten. So läuft das nun mal.

Verstehen? Wie kann man einen Mörder verstehen wollen?
Weil auch ein Mörder nach einer inneren Logik handelt und Serienmörder erst recht. Sie gestalten ihre Taten nach einem Muster, von dem sie nur ungern abweichen. Dieses Muster muss man finden, denn das ist ihre unverwechselbare Handschrift, an der man sie erkennen kann. 

Und als Nächstes überlegt man sich dann, warum sie es genau so tun. Richtig?
Nein, denn das weiß man schon vorher: Sie tun es auf diese Art, weil es ihnen so am meisten Spaß macht.

Spaß? Ein entsetzlicher Gedanke. Vor allem wenn man weiß, was der „Näher“ mit seinen Opfern anstellt. Moment, Sie zittern ja. Ist Ihnen kalt?
Mir ist immer kalt. Aber ganz besonders, wenn ich einen Mörder jage.

Und warum tun Sie sich das alles dann überhaupt an?
Weil ich den Mistkerl, der das getan hat, schnappen muss, bevor er weitermordet. Und das wird er tun, wenn man ihn nicht aufhält, so viel ist sicher.

Gibt es denn schon irgendetwas, das Sie über den Mörder wissen?
Ich denke, ich weiß sogar schon viel über ihn, aber nichts davon gefällt mir. Auf der einen Seite muss er hochintelligent sein, denn er ist uns bis jetzt immer einen Schritt voraus. Auf der anderen Seite ist er von irgendetwas besessen, das ihm keine Ruhe lässt, bevor er es nicht in die Tat umgesetzt hat.

Und was soll das sein?
Das weiß ich noch nicht. Aber er ist eine kranke Seele, die einen verstörenden Traum träumt. Und ich werde herausfinden, was für ein Traum das ist – das schwöre ich!