Jonas Jonasson: DER HUNDERTJÄHRIGE, DER ZURÜCKKAM ...

Zwei Greise auf Reisen

28. August 2018
Allan Karlsson, der unverwüstliche Hundertjährige, wird noch gebraucht, erklärt Jonas Jonasson in einem Brief an seine Leser und schickt seinen betagten Protagonisten erneut rund um die Welt –  denn die muss dringend gerettet werden.

Ein Leben als Millionär in einem Luxushotel auf Bali kann fürchterlich langweilig sein. ­Jedenfalls wenn man Allan Karlsson heißt, 100 Jahre alt ist und immer noch nicht vorhat, ein „normaler Mensch“ zu werden. Da hilft es auch nicht, Harry Belafonte einfliegen zu lassen oder eine Luxusjacht zu mieten: Allan ist unzufrieden, zudem wird das Geld knapp, und Allans Kumpel, der ältliche Gelegenheitsdieb und Spargelanbauer Julius, beschließt, seinen Freund zu dessen 100. Geburtstag mit einer Ballonfahrt zu überraschen. Als sich der Ballon selbstständig macht und mit den beiden betagten Herren aufs Meer hinaustreibt, hat die Langeweile schnell ein Ende.

Die Fortsetzung von Jonassons erstem Roman „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ steht ihrem Vorgänger an bizarrer ­Komik und unglaublichen Ereignissen in nichts nach. Allan und Julius landen in Pjöngjang, wo sie sich als Schweizer Atomexperten ausgeben und ins Land ­geschmuggeltes Uran wieder aus dem Land hin­aus­schmuggeln, sie versuchen sich im Bestattungs­geschäft und ziehen durch eine Verwechslung den Zorn mordlüsterner Neonazis auf sich; sie ­suchen in Afrika nach einem Wunderheiler, informieren sich über Spargelanbaumöglichkeiten und vereiteln ganz nebenbei eine ­weitere Uran-Großlieferung nach Nordkorea. Allan trifft Außenminister und Präsidenten, er spricht mit Kim Jong-un über das Schnarchen, er ­ermahnt Donald Trump, seine Impulse in den Griff zu bekommen, und erklärt der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, wie mit der Uranlieferung zu verfahren sei. Es ist ein Parforceritt durch unsere Gegenwart, ­komisch, grotesk und mit einem erfrischend respektlosen Helden, der große Probleme ganz klein werden lässt – mit Witz und einer Prise Unverschämtheit.

Auch Jonas Jonasson hat schon seine Erfahrungen mit dem Bizarren und Unwahrscheinlichen gemacht, etwa als er seinen Journalistenjob Mitte der 1990er Jahre kündigte und im Lift den Assistenten des Geschäftsführers traf. „Ehe wir das Erdgeschoss erreichten, hatte ich ein Jobangebot als Medienberater für Polen, Estland und Lettland“, erinnert sich Jonasson in einem Interview mit der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. „Ich war nur 25 Sekunden arbeitslos.“ Nicht immer lief bei ihm alles so glatt: Seine Ehe in der Schweiz scheiterte, er zog mit seinem Sohn zurück nach Schweden. Heute lebt ­Jonasson zurückgezogen auf Gotland, sucht die Ruhe, schlägt Einladungen zu Veranstaltungen gern aus und schreibt lieber, unterstützt von einem dreifachen Espresso. So entstehen Bücher, die Leser in aller Welt begeistern, mit liebenswerten Helden, viel Sinn für Humor und einem klaren Blick für die Absurditäten der Gegenwart – kluge Bücher, die bewusst auf Leichtigkeit setzen. „In der Literatur geht es oft um Verzweiflung und Tragik“, sagte Jonasson dem britischen „Guardian“: „Ich glaube, mein Erfolg beruht darauf, dass ich Hoffnung mache. Wenn wir der Menschheit nicht mit einem Lächeln begegnen, könnten wir wahrscheinlich nicht überleben.“ 

Jonas Jonassons Brief an seine Leser

Liebe Freunde des Hundertjährigen,

ich bin Jonas Jonasson, und ich habe das Gefühl, ich bin Ihnen vielleicht eine Erklärung schuldig. 
Eine Fortsetzung der Geschichte des Hundertjährigen, der aus einem Fenster stieg und verschwand, war nie geplant. Viele Leute wünschten sich eine, nicht zuletzt der Protagonist selbst, der mir weiter durch den Kopf geisterte und bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit auf sich aufmerksam machte.
»Herr Jonasson«, konnte Allan Karlsson aus heiterem Himmel anfangen, »haben Sie es sich ­schon anders überlegt, Herr Jonasson? Möchten Sie nicht doch noch eine Runde nachlegen, bevor ich so richtig alt bin?«

Nein, wollte ich nicht. Ich hatte schon alles gesagt, was ich über das wahrscheinlich erbärmlichste Jahrhundert aller Zeiten sagen wollte. In der Hoffnung, dass wir dann weniger geneigt wären, ­zumindest diese Fehler zu wiederholen. Ich verpackte meine Botschaft mit Charme und Humor, und bald verbreitete sich das Buch über die ganze Welt. Aber eins steht fest: Es hat die Welt ­überhaupt nicht verbessert.

Die Zeit verging. Mein innerer Allan meldete sich irgendwann nicht mehr. Und die Menschheit bewegte sich weiter vorwärts oder wie auch immer man die Richtung nennen möchte, in die sie sich bewegte. Ein Ereignis nach dem anderen vermittelte mir den Eindruck, dass die Welt ­defizitärer war denn je. Und die ganze Zeit blieb ich nur passiver Beobachter.

Irgendwann entstand daraus dann doch das Bedürfnis, mich wieder zu Wort zu melden, auf meine eigene Art. Beziehungsweise Allans. Eines Tages hörte ich mich selbst, wie ich Allan ­geradeheraus fragte, ob er immer noch da sei.

» Ja, ich bin hier«, sagte er. »Was haben wir denn auf dem Herzen, Herr Jonasson, nach so langer Zeit?«
»Ich brauche Sie«, sagte ich.
»Wofür?«
»Um die Dinge beim Namen zu nennen.«
»Und ich soll mich zu allem äußern?«
»Zu mehr oder weniger allem.«
»Herr Jonasson, Ihnen ist aber schon klar, dass das nichts helfen wird, oder?«
»Ja.«
»Gut. Dann können Sie auf mich zählen.«

Eines muss ich noch hinzufügen: Dies ist ein Roman über Geschehnisse, die sich in der ­Gegenwart oder jüngsten Vergangenheit ereignet haben. Es treten daher Politiker sowie Leute aus ihrer ­unmittelbaren Umgebung auf. Da diese Staatsoberhäupter manchmal auf das gewöhnliche Volk herabschauen, statt zu ihm aufzublicken, ziehe ich sie logischerweise ein bisschen durch den ­Kakao. Aber trotzdem sind sie alle Menschen und verdienen ein gewisses Maß an ­Respekt. Diesen Machthabern möchte ich gerne sagen: Es tut mir leid. Und: Seht zu, wie ihr das jetzt ­verkraftet. Es hätte noch schlimmer kommen können. Und: Was, wenn es am Ende wirklich noch schlimmer kommt?