Whitney Scharer: DIE ZEIT DES LICHTS

Porträt einer Künstlerin

9. Oktober 2019
Als Lee Miller im Jahr 1929 nach Paris kommt, kennt sie keine Menschenseele. Sie will nur eines: fotografieren. Whitney Scharers Romandebüt „Die Zeit des Lichts“ erzählt die spannende  Lebensgeschichte einer großen Frau und Künstlerin, die sich mit ihrem Werk verewigt hat.  

Lee Miller war vieles: Model, Künstlerin, Muse, Kriegs­berichterstatterin, Feministin, Entdeckerin, Kochbuchautorin, Ehefrau, Mutter. Vor allem aber war sie eine ­mutige Frau, die Krisen und Verletzungen trotzte und entschlossen ihren Weg ging. Ihre Werke werden heute zu den wichtigen Fotografien des 20. Jahrhunderts gezählt. Der Roman „Die Zeit des Lichts“ zeichnet den Weg dieser außerordentlichen Künstlerin mit feinen Linien nach. Dieser Weg führte aus New York ins Paris der 1930er Jahre, später in der Funktion als Kriegsbericht­erstatterin in die Normandie und ins Konzentrationslager Dachau und schließlich auf eine Farm im englischen Sussex, wo Miller mit ihrem Ehemann, dem Künstler Roland Penrose, lebte.

Lee Miller ist 22 Jahre alt, als sie ihre Karriere als Model hinter sich lässt. Sie bricht in die französische Hauptstadt auf und zieht mit ihrer Kamera durch die Straßen. Sie wolle lieber ein Bild machen, als eines zu sein, sagt sie. Doch Miller hat sich den Neu­beginn und den Wechsel der Kameraseite einfacher vorgestellt, als er ist: Paris ist groß, sie hat keine Freunde, und das Geld zerrinnt der jungen Frau zwischen den Fingern. Sie flüchtet in Bistros, um nicht die Einsamkeit ihres Hotelzimmers ertragen zu müssen. „Sie verbringt immer mehr Zeit dort, zeichnet in ihr Skizzenbuch, schreibt Briefe oder hält lange Mittagsschlaf und fühlt sich anschließend unausgeglichen – Hauptsache, die Zeit vergeht und sie vergisst, wie einsam sie ist.“ Doch die Durststrecke nimmt bald ein Ende: Sie lernt Man Ray kennen, und der geniale Künstler stellt sie als Assistentin ein. Lee Miller ist dafür zuständig, sein Büro zu organisieren, er unterrichtet sie in seinem Studio und überlässt ihr für ihre ersten Fotoversuche seine Dunkelkammer. 

Miller und Ray kommen sich auch privat näher: Es beginnt eine wilde „Amour fou“, mit der sich für die junge Amerikanerin ­Türen öffnen – zur Pariser Bohème der 1930er Jahre, wo sich Dadaisten und Surrealisten in Mansarden und Galerien zu ausschweifenden Partys und Ausstellungen treffen. Dort schließt Miller auch Freundschaft mit Pablo Picasso und Jean Cocteau. Doch ein Wunsch bleibt zunächst unerfüllt: in der Welt männlicher Genies als Künstlerin ernst genommen zu werden.