Julie Kagawa: IM SCHATTEN DES SCHWERTES

Für immer in der Finsternis

8. November 2019
Die auf drei Bände angelegte Saga der ­US-Bestsellerautorin Julie Kagawa ist ein absoluter Lesegenuss. Bereits wenige ­Wochen nach dem Erscheinen von „Im Schatten des Fuchses“ geht es mit „Im Schatten des Schwertes“ weiter.

Tatsumi ist verloren. Denn ein Dämon hat von ihm Besitz ­ergriffen. Genau genommen jener Dämon, der durch ­einen Fluch seit Jahrhunderten in Tatsumis Schwert Kamigoroshi gebannt war. Nur weil der 17-jährige ­Dämonenjäger kurz seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle hatte, konnte der Geist sich befreien.

Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass er in Tatsumi gefahren ist, handelt es sich bei dem abscheulichen Hakaimono um einen der mächtigsten unter seinesgleichen, einen Oni-Lord. Er heißt auch „der Zerstörer“. Tatsumis Clan verlangt, den jungen Dämonenjäger zu töten, damit Hakaimono in die Schwertklinge zurückkehren kann und das Königreich Iwagoto wieder sicher ist. 

Die 16-jährige Yumeko will diese Unglücksbotschaft gar nicht glauben. Ihr wird übel, als würde ein Mühlstein auf ihre Organe drücken. Schließlich ­haben sie und Tatsumi gemeinsam bereits lebensgefährliche Abenteuer bestanden. Doch um wirklich Vertraute zu sein, verbergen sie eigentlich zu viel voreinander. Tatsumi weiß nicht, dass seine Weggefährtin eine Halb-Kitsune ist, das heißt, zwischen der menschlichen Gestalt und der ­eines Fuchses wechseln kann. Und er hat keine Ahnung, dass ­Yumeko eine Pergamentrolle an ihrem Körper versteckt trägt, für die viele über Leichen gehen würden, um in ihren Besitz zu gelangen. Ebenjene ­Rolle, die herbeizuschaffen auch Tatsumi beauftragt worden ist. Von dem sogenannten Drachengebet, das sich darauf befindet, scheint aller Leben abzuhängen. Yumeko selbst weiß wiederum nicht, welch immense Gefahr von dem Dämon aus dem „Gottestöter“-­Schwert ausgeht. 

Yumeko, die von Mönchen aufge­zogen wurde, ist eine offene, mitfühlende junge Frau, deren Temperament manchmal mit ihr durchgeht. Ganz anders Tatsumi: Er wirkt verschlossen, fast kalt und feindselig. Während man sich beim Lesen des ersten Bands gespannt fragt, wann die zarte Liebes­geschichte zwischen den so gegensätzlichen Helden endlich Fahrt aufnimmt, muss nun, im zweiten Teil der Serie, erst mal ein anderes Problem gelöst werden. Einen Dämon von ­Hakaimonos Kaliber hat bisher nämlich noch niemand bezwungen. 

Mit jeder Faser ihres Herzens ist Yumeko dazu bereit, den leidenden Tatsumi vor ewiger Gefangenschaft im Bösen und in der Finsternis zu bewahren. Vorher will sie jedoch die Schriftrolle den Priestern des geheimen Tempels der Stählernen Feder aushändigen. So lautet zumindest der Plan. Doch auf das Fuchsmädchen und seine Freunde – den Adligen Daisuke, die Schreinmaid Reike und den Roni Okame – warten etliche unangenehme Überraschungen. Und schreckliche Opfer sind zu bringen …

Julie Kagawa schreibt die Romane, die sie selbst gern lesen würde. Vor neun Jahren hat sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Weil Kagawa ein großer Fan von Videospielen und Animes ist, lässt sie sich von deren Geschichten, Charakteren und Schauplätzen inspirieren. Mittlerweile hat die 1982 im ­kalifornischen Sacramento geborene Autorin eine weltweite Fangemeinde. Es soll Anhänger geben, die einen ihrer Romane an einem ­einzigen Tag verschlingen – und das bei einem Umfang von meist nahezu 500 Seiten. 

Julie Kagawas Fantasy macht süchtig: nach mörderischen Feen, postapokalyptischen Vampiren oder modernen Drachen. Eine Leserin bekennt im Internet, Kagawa und ihren Büchern verfallen zu sein. Zum Glück sorgt die Autorin kontinuierlich für Nachschub. Zwei Bücher in einem Jahr zu schreiben fällt ihr leicht. 

Zu der „Schatten“-Serie hat die Weltenerfinderin sich ebenso von ihren japanischen Wurzeln inspirieren lassen wie von asiatischer Mythologie. Nach „Plötzlich Fee“, „Unsterblich“ und „Talon“ ist die „Schatten“-­Serie ihre vierte. Jede Saga punktet mit höllischer Spannung, enthält aber auch heitere Szenen, sodass man zwischendurch aufatmen kann. Und immer wieder gibt es auch einen Schuss Romantik. Julie Kagawa ist eine Meisterin darin, die richtige Mischung dieser Elemente zu finden.

An der Seite von Yumeko  begegnen wir Bluthexen, Riesenspinnen, Untoten, sowohl guten als auch bösen Geistern und stehen mit zitternden Knien einer Armee von rotäugigen, reißzähnefletschenden Dämonen gegenüber. 

Was will man mehr? Höchstens wissen, wie es weitergeht.  Doch der Abschlussband der Trilogie, „Im Schatten des Drachen“, lässt noch eine Weile auf sich warten. Er erscheint erst im Juni 2020.