John Grisham: DIE ERBIN

Schmutziger Streit um die Millionen

19. Februar 2014
War Seth Hubbard bei Sinnen, als er einen Tag vor seinem Freitod ein neues ­­Testament aufsetzte? Statt der Kinder soll nun seine Haushälterin das Vermögen erben. John Grishams neuer Roman „Die Erbin“ ist die Geschichte eines erbitterten Erbstreits und ein grandioser Gerichtsthriller.

Sie lebt in Clanton, einer Kleinstadt im Bundesstaat Mississippi im Süden der USA, sie ist dunkelhäutig, arm und hat einen Säufer zum Mann – das Schicksal hat es mit Lettie Lang bisher nicht sonderlich gut gemeint. Bis sich eines Tages ihr Arbeitgeber an einem Baum erhängt. Drei Jahre lang hatte Lettie als Haushälterin für den reichen, todkranken Seth Hubbard gearbeitet, als er beschließt, seinem Leiden ein Ende zu machen – nicht allerdings, ohne ein neues Testament gemacht zu haben. Handschriftlich verfügt Hubbard, dass seine Kinder enterbt sind und Lettie Lang praktisch alles bekommen soll – mehr als 20 Millionen Dollar.

Das ist die Story, die sich John Grisham, der König der Justizthriller, für sein neues Buch „Die Erbin“ hat einfallen lassen. Was folgt, ist ein packendes Drama um die Rechtmäßigkeit von Hubbards letztem Schriftstück.

War der mit Medikamenten vollgepumpte Millionär noch zurechnungsfähig – und hatte es die schwarze Haushälterin nicht von vornherein auf sein Erbe abgesehen? Die empörten Kinder lassen Heerscharen von Anwälten aufmarschieren, die im Dreck der Vergangenheit wühlen, schmerzliche Dinge ans Licht und unerwartete Zeugen vor Gericht zerren. Im Zentrum des Sturms steht der Anwalt Jake Brigance, der von Hubbard beauftragt wurde, seinen letzten Willen durchzusetzen.

Zurück in die Vergangenheit
Passionierten Grisham-Lesern ist der Name Brigance natürlich ein Begriff: In Grishams erstem Thriller „Die Jury“, der den Autor vor 25 Jahren berühmt machte, verhalf Jake dem Schwarzen Carl Lee Hailey, der den Vergewaltiger seiner zehnjährigen Tochter tötete, zu einem Freispruch.
Seither hat Grisham jedes Jahr mindestens ein neues Buch geschrieben und der Stoff scheint dem 59-Jährigen nicht auszugehen. Mehr noch: In seinem neuen Thriller, der drei Jahre nach dem aufsehenerregenden Hailey-Prozess spielt, zeigt sich der Schriftsteller in Höchstform. Spannend und vielschichtig ist die Story, die durch immer neue überraschende Wendungen einen unerhörten Drive bekommt. Das komplizierte Rechtssystem der USA, das so unberechenbar scheint wie ein Tornado über den Prärien von Mississippi, kennt der ehemalige Anwalt für Strafrecht sowieso in- und auswendig. „Gesetze, Prozesse, Gerichtssäle – in dieser Welt fühle ich mich zu Hause“, sagte Grisham in einem Interview.

Lange schon steht der Starautor allerdings nicht mehr als Anwalt vor dem Richtertisch – er hat diesen Platz gegen einen einträglichen Halbtagsjob eingetauscht, wie Grisham ironisch sagt. An fünf Tagen in der Woche sitzt der gut aussehende und überaus charmante Autor von 6.30 bis 12 Uhr in seinem Büro, schreibt dort bis zu sechs Buchseiten, um sich nachmittags seinem Hobby zuzuwenden: Baseball, diesem durch und durch amerikanischen Sport, den Grisham liebt, seit er als kleiner Junge von einer Profikarriere träumte. Diese Karriere blieb ihm zwar versagt, doch steckt er heute einen ordentlichen Teil seines Vermögens in die Nachwuchsförderung: Auf einem seiner Grundstücke im Bundesstaat Virginia, wo er mit seiner Frau Renee lebt, hat er sechs Baseball-Felder errichten lassen, wo bis zu 500 Jungen und Mädchen Sport treiben und wo Grisham selbst jahrelang seinen Sohn und seine Tochter trainierte.