Mao-Biografie

Ein radikaler Utopist

6. Juni 2014
Für ihre umfassende Mao-Biografie haben Alexander V. Pantsov und Steven I. Levine geheime Quellen erschlossen und zahlreiche Gespräche geführt. Ihr faszinierendes Porträt zeigt den Ausnahmepolitiker in neuem Licht.
Mao Zedong (1893 – 1976) zählte zu den Politikern, die die Geschichte des 20. Jahrhunderts geprägt haben. Dank seines ersten Biografen Edgar Snow erschien der charismatische Politiker schon in den 1930er Jahren auch im Westen als Verkörperung der chinesischen Revolution – ein Bauernsohn, der es zum Philosophenkönig brachte, ein ebenso weiser wie kämpferischer Führer, der Gedichte schrieb. Dass er mit seiner radikalen Wirtschaftspolitik Millionen Chinesen zum Hungertod verdammt hatte, dass seine mörderische „Kulturrevolution“ zahllose Familien zerstörte, wurde erst nach seinem Tod in vollem Ausmaß wahrgenommen. Bis heute überstrahlt Maos Charisma den Umstand, dass Chinas Kommunisten ideologisch und finanziell bis zu Stalins Tod weit abhängiger von Moskau waren als zugegeben. Der in Moskau geborene Historiker Alexander V. Pantsov und sein amerikanischer Kollege Steven I. Levine haben dazu Quellen aus sowjetischen und chinesischen Geheimarchiven erschlossen. Bisher unbekannte Dokumente und Gespräche mit Menschen, die Mao gekannt hatten, ermöglichen es den Autoren, das Bild der Ausnahmegestalt und der Revolution, die er verkörperte, in vielerlei Hinsicht zu korrigieren und zu differenzieren. Ihr Buch wirft ein neues Licht auf Mao, auf China und auf eine der großen Tragödien der Geschichte: Der Mann, der das von Bürgerkriegen und ausländischen Aggressoren zerrissene Land einte, war zugleich ein radikaler Utopist, der meinte, seine Kultur zerstören zu müssen, um eine kommunistische Gesellschaft errichten zu können.