Petra Hammesfahr: AN EINEM TAG IM NOVEMBER

"Ich kann nicht anders"

30. September 2014
Sie hat lange auf ihren Erfolg warten müssen, mittlerweile sind ihre Romane Bestseller. In Petra Hammesfahrs jüngstem Krimi ist ein kleines Mädchen verschwunden. Wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, erzählt „An einem Tag im November“ mit großer Eindringlichkeit.

as Erzählen ist der rote Faden in ihrem Leben seit ihrer Kindheit: Ideen und Romanfiguren kommen zu ihr, sind in ihrem Kopf, beschäftigen Petra Hammesfahr schon morgens, wenn sie den Tag auf ihrem Trimm­rad beginnt oder auf dem Cross­trainer. Sie sammelt so lange Ideen und Charaktere, notiert und bearbeitet sie, bis sie sich verdichten und sich ihr eine Geschichte erschließt. „Es ist dann, als ob eine Stimme in meinem Kopf spricht und ich nur mitschreibe“, sagt sie bei einer Tasse Kaffee im Wintergarten ihres Reihenhauses.

Ihr neues Buch „An einem Tag im November“ ist hier in der Nähe angesiedelt: an fiktiven Orten, die aber viel Ähnlichkeit haben mit der Kleinstadt bei Köln, in der die Autorin seit Jahrzehnten lebt. Der komplexe, spannende Thriller dreht sich um Emilie, ein fünfjähriges, aufgewecktes Kind, das  eines Nachmittags im November spurlos verschwindet, und um eine Mädchenbande, die Mitschüler tyrannisiert. Wieder ermittelt Kommissar Klinkhammer.

Petra Hammesfahr mag ihren grundsoliden Polizeibeamten und setzt ihn nun zum vierten Mal ein, aber ohne dass er dabei die Geschichte dominiert. Emilies Eltern bekommen dagegen viel Raum: Der Vater hat ein Fitnessstudio, die Mutter arbeitet als Kosmetikerin. Beide sind in ihren Berufen eingespannt und bemühen sich, die Tochter auch noch irgendwie in den Alltag einzupassen. „Dieser Stress, die dauernde Hektik ist nicht gut für Kinder“, sagt die ­Autorin, die zum Nachdenken anregen will über das, was berufstätigen Eltern abverlangt wird, und über den Umgang mit Kindern. „Wir müssen uns kümmern und Verantwortung übernehmen“, sagt sie – auch für die sogenannten Problemkinder, die früh gewalttätig und kriminell werden.

Wie es ist, Kinder unter schwierigen Bedingungen großzuziehen, weiß Petra Hammesfahr aus eigener Erfahrung. „Ich habe mit meinen beiden Töchtern einige Jahre von Sozialhilfe gelebt, da ging es uns zum ersten Mal gut. Vorher wusste ich oft kaum, wie ich über die Runden kommen sollte“, erinnert sie sich.

In diese Situation ist sie auch deshalb geraten, weil sie immer nur schreiben wollte, ihre Mutter sie aber mit 13 Jahren in eine Einzelhandelslehre steckte. „Als ich 17 war, glaubte ich meinem Freund, dass ich bei ihm tun könnte, was ich wollte“, sagt sie. Sie wurde schwanger, heiratete, hatte aber auch jetzt kaum Zeit für die Literatur, weil sie bald zwei kleine Töchter und ihren alkoholabhängigen Mann versorgen musste.

Ihr zweiter Mann, mit dem sie inzwischen seit über 30 Jahren verheiratet ist, ließ ihr dann den Freiraum, den sie sich wünschte. Geld war knapp, aber sie konnte schreiben – und nicht nur wie bisher lediglich auf Zettel, auf die sie die Anfänge von Geschichten notierte, während sie den Rest im Kopf behalten musste. Auf den Erfolg musste sie dann trotzdem noch einige Zeit warten: Zehn Jahre lang bekam Petra Hammesfahr nur Absagen, 159 insgesamt, die sie bis heute in einem Ordner aufbewahrt. Erst nachdem 1989 der „Playboy“ einen Kurzkrimi von ihr gedruckt hatte, konnte sie ihre Geschichten auch bei Buchverlagen unterbringen. Inzwischen hat sie mehr als 30 Titel veröffentlicht und allein in Deutschland mehr als fünf Millionen Bücher verkauft.

Wenn sie schreibt, schlüpft sie ganz in ihre Figuren hinein, auch in die, die sie abstoßend findet, wie den Pädophilen in „Der stille Herr Genardy“ aus dem Jahr 1993, ihrem ersten großen Erfolg. „Mein Mann sagt immer, er wisse nie, zu wem er abends nach Hause kommt“, erzählt Petra Hammesfahr, so sehr verwächst sie mit ihren Figuren. „Ich kann nicht anders“, sagt sie, sie will es aber auch nicht: Ein Leben ohne Erzählen, ohne die intensive Beschäftigung mit Geschichten und Charakteren ist für sie nicht vorstellbar. Zurzeit lässt sie es aber etwas ruhiger angehen und arbeitet nur etwa acht Stunden jeden Tag. Denn der nächste Roman ist fertig, und sie hat schon jede Menge Stoff für weitere Geschichten notiert.