Elizabeth Strout: BLEIB BEI MIR

Unter Beobachtung

30. September 2014
In Neuengland Ende der 1950er Jahre spielt der Roman „Bleib bei mir“ von Pulitzer-Preisträgerin Elizabeth Strout und erzählt anrührend von Schönheit und Schrecken des ganz gewöhnlichen Lebens.

Das Leben ist unberechenbar und spart nicht mit Zumutungen. Das muss auch Tyler Caskey erkennen, der Held aus Elizabeth Strouts zweitem und jetzt erst auf Deutsch erschienenen Roman „Bleib bei mir“. Seit er denken kann, war Tyler ein Glückskind. Die Menschen mochten ihn und er mochte die Menschen. Als charismatischer junger Pastor wird er in seiner kleinen Gemeinde im Norden der USA begeistert aufgenommen. Er fühlt sich rundum glücklich. Doch dann wird seine schöne, junge Frau schwer krank und stirbt trotz seiner Gebete. Sein Leben gerät aus dem Gleis. Von Trauer niedergerissen, kann er seiner murrenden, aufbegehrenden Gemeinde nicht mehr die Zuwendung geben, die sie verlangt.

Elizabeth Strout legt dem Leser nie nahe, Partei zu ergreifen. Wie so oft bei ihr verdienen alle Figuren unser Mitleid. Tyler genauso wie die Gemeindemitglieder, die ihm nur deshalb so zusetzen, weil eigener Kummer sie dazu drängt. Ein zarter, großer Roman von melancholischer Schönheit.