Literarische Debüts

Wider den Anpassungsdruck

6. März 2015
Herkunft ist Zufall – und Unzufriedenheit mit ihr nicht eben selten. Vier Erstlingsromane ­künden eindrucksvoll von solchem Hadern: angefangen beim Aufbegehren gegen die Eltern oder ihr Milieu bis hin zur spitzzüngigen Gesellschaftskritik.

Landleben gefällig? Aber gern, wie erfrischend ist doch der Wochenendtrip ins nahe Grüne und wie urig das Ferienambiente inmitten von Kuhweiden! Angstbesetzt ist das Landleben hingegen für den zwölfjährigen Klas aus dem schwedischen Roman „Die Raben“: Er soll, so hat es sein Vater vorgesehen, später mal den Bauernhof übernehmen, soll sich bis zum Tod krummschuften auf einem „Fetzen Land unter einem Himmel, an dem Düsenjets Kreuze zeichnen“. Trost findet Klas nur im Wald, beim Beobachten der Vögel, deren Bewegungsfreiheit ihn neidvoll stimmt. Wird er einen Ausweg entdecken, der ihn nicht in die innere Flucht, das heißt in die Verrücktheit führt?

Auch Édouard Louis hat sich von seiner Provinz-Jugend zu ergreifender Prosa inspirieren lassen. Die qualvolle Außenseiterrolle des Schülers Eddy gründet in dessen ab­wei­chen­dem sexuellen Begehren – und verschafft ihm einen geschärften Blick für die scha­blo­nen­haften Geschlechterrollen: Wer mit Puppen spielt, kann nie ein echter Kerl werden. Bei Eddy verfestigt sich – das könnte ihn retten – die Vision eines „Anderswo“ jenseits der Dorfgemein­schaft. Eine bequemere Fluchtoption bietet sich der Spanierin Maite in „Blutorangen“: Sie zieht aus dem konservativen Elternhaus aus, um in München zu studieren – ein Schritt, der ihr die historische Allianz zwischen deutschem und spanischem Faschismus demonstriert.

So schmerzlich Maite in der eigenen Familie die Gegenwärtigkeit der Vergangenheit erfährt, so wortreich  wettert Ernst Katz, greiser Held der „Chronik einer fröhlichen Verschwörung“, gegen den Kulturbetrieb, der pseudoaufklärerische KZ-Literatur feiert. Zusammen mit dem forschen Girl Biggy macht sich der Altmarxist daran, ein solches Machwerk zu verhindern. Mit seinem Debütroman hat Kabarettist Richard Schuberth erneut bewiesen: Gute Satire kennt keine Tabuthemen.