Unterhaltsame Debüts

Nach Motiven der Wirklichkeit

6. März 2015
Aus dem Leben gegriffen heißt aus dem Vollen geschöpft: Seien es Geschichten, zu ­denen das Gütesiegel „Nach einer wahren Begebenheit“ passen würde, oder Dokumente verblüffenden Einfallsreichtums – kurzweilig ist diese Prosa allemal. 

Taxifahrer, das sind doch diese Verkehrsbrutalos, die vorzugsweise Radwege zuparken! Touché, aber diese hektische Spezies hat auch eine sympathische Seite. Selbige publik zu machen ist die Mission von Brancheninsider Sascha Bors: Seine Schmunzel-Anekdoten aus dem Berliner Beförderungswesen lassen tatsächlich glauben, dass Taxifahrer „größtenteils interessante und nette Leute sind, mit denen ein Gespräch lohnt“.

Einen unbelehrbar stoffeligen Fahrgast gäbe aber wohl Ministerialrat Dr. Volkwart Blicks ab. Der fiktive Mittvierziger, Haupt­attraktion des Romans „Und wenn es getan werden muss“, verachtet nämlich jedweden Small Talk und reflektiert bloß gern über internationale Wirtschaftspolitik. In der Kantine, wo Blicks am liebsten allein is(s)t, kollidiert er eines Mittags mit der wohlproportionierten chilenischen Kü­chen­­­hil­­fe – Domi­noeffekt inbegriffen: Auf die anzuglose, anzügliche Reinigungsaktion im „Staff only“-Bereich folgen Ereignisse, die einen Lebens-Wandel aufseiten des Büro­kra­ten mit sich bringen.

Von unkontrollierbaren Umständen gebeutelt zu werden ist freilich keine Erfahrung, die als Alleinstellungsmerkmal fürs 21. Jahrhundert taugt. Im Jahr 1683 machte sie in Esslingen Anna Catharina. Während Pfarrerstöchter heutzutage Bundeskanzlerin werden können, muss dieses Mädchen auf Geheiß ihres Vaters als Dienstmagd ins Gasthaus „Goldener Adler“. Zumindest so lange, bis die Kriegswirren ihr ein sagenhaftes Martyrium aufbürden. 

Auch die eigene Biografie lohnt oft eine umfassende Inaugenscheinnahme. Aus gegebenem Leidens­anlass hat Mathilda Kistritz daher eine Selbsthilfegruppe gegründet, getarnt als Gourmetzirkel. Beim Essen plaudert es sich schließlich am freisten heraus, und Wein gilt zu Recht als Wahrheitsserum. Das Dik­tier­gerät der Autorin lief bei den meisten kulinarischen Sitzungen mit. Wohl bekomm’s!