Judith Pinnow: LÄUFT DA WAS?

Schreiben wie im Rausch

10. Juni 2015
Moderatorin Judith Pinnow hat ein erfrischendes Debüt vorgelegt. Dass sie mit ihrer sympathischen Heldin nicht nur die Leidenschaft für Schokolade teilt, erzählt sie im Gespräch.

Das Café, das Judith Pinnow für unser Treffen ausgesucht hat, ist ein Pralinen- und Törtchenparadies. Unter dem Kosenamen „Fernando“ spielt es auch in ihrem beschwingten Debütroman „Läuft da was?“ eine kleine Rolle. Hier trifft sich die Heldin Annabel Förster gern mit ihren Freundinnen, um Pläne zu schmieden und „die beste Schokolade in ganz Köln“ zu trinken. Wie ihre Hauptfigur ist auch Judith Pinnow ganz verrückt nach Süßem. Während die 41-Jährige genüsslich eine Praline in ihrem Cappuccino auflöst, erzählt sie, dass sie mit Annabel neben der Leidenschaft für Schokolade auch sonst noch ein paar Dinge gemeinsam hat. Von der gelungenen Mischung aus ­Lebenserfahrung und sprühender Fantasie profitiert auch ihr Roman. Judith Pinnow weiß einfach, wovon sie schreibt, wenn sie von Annabels oft haarsträubendem Alltag als Moderatorin erzählt.

Schließlich hat sie selbst lange in diesem Beruf gearbeitet, zuerst für den Disney Club, den Tigerenten Club und zuletzt für das Sat.1-Morgenmagazin „Weck Up“. Mit viel Humor führt sie im Roman etwa die verschiedenen Typen von Maskenbildnerinnen vor. Die ­einen mit ihrem „Komplimenteritual“, in dessen Verlauf sie mit ­Verve Kleidung, Haar und Haut loben: „‚Wie ein Pfirsich, Annabel, wirklich wie ein Pfirsich!‘“ Die anderen, die konsequent am Selbst­bewusstsein kratzen: „Seufzend schminkt sie an mir rum und lässt mich mit jeder Bemerkung wissen, dass es eine echte Bürde ist, mit so schlechtem Material arbeiten zu müssen.“

Nicht nur Moderatorin, sondern auch Mutter
Auch wenn Annabel von ihren drei Töchtern morgens beinahe um den Verstand gebracht wird, weil sie überall gleichzeitig gebraucht wird, „um Zöpfe zu flechten, an Wasserflaschen zu erinnern und im letzten Moment noch zwölf Euro achtzig in einen gut beschrifteten Umschlag für den Schulausflug zu zaubern“, beschreibt Judith Pinnow das so lebensnah, wie sicher nur eine dreifache Mutter das kann.

Bei allen Ähnlichkeiten sei ihr Leben aber leider nur halb so spannend wie das ihrer Heldin, sagt Judith Pinnow lachend. Während Annabel sich zu Beginn der Geschichte nichts sehnlicher wünscht, als eine Abendsendung zu moderieren, mit einem Schönheitschirurgen einen raffinierten Plan ausheckt, sich in einen Endzwanziger mit langen Wimpern verguckt und schließlich zornig und ohne Gepäck den erstbesten Flug nach Stockholm nimmt, sitzt Judith Pinnow lieber gemütlich in ihrem ausgebauten Bauwagen im Garten und denkt sich solche und ähnliche Abenteuer für ihre Heldinnen aus.

Früher hat sie in dem altmodischen Bauwagen ihre Kurzgeschichtenbände geschrieben, bis sie bei einem Ausflug nach Sylt Bestsellerautorin Dora Heldt über den Weg lief und sich von ihr überzeugen ließ, endlich einmal „etwas Richtiges“ zu schreiben –einen Roman. Und auf einmal war es, als hätte es nur dieser Ermutigung bedurft. Annabels Geschichte schrieb sich von da an bei­nah von selbst. Wie im Rausch entstand gleich danach ein zweiter Roman, der im kommenden Jahr erscheinen wird. Und mittlerweile arbeitet Judith Pinnow bereits an ihrem dritten Roman, ohne dass ihre Erzählfreude auch nur um ein weniges abgekühlt wäre.

Schließlich gibt es kaum etwas Schöneres als zu schreiben, findet sie. Da kommt weder das Moderieren noch die Arbeit als Schauspielerin mit. Gleich nach dem Abitur ging Judith Pinnow zur Schauspielschule, weil sie es schon damals liebte, sich in verschiedene Rollen hineinzuversetzen. Jetzt genießt sie es, dass sie als Autorin über das Wohl und Weh ihrer Figuren ganz allein verfügen kann, weil sie Drehbuchautorin, Regisseurin und Ensemble in einem ist.

Fiktive Küsse
Ihre Kinder mögen die neue obsessiv schreibende Mama, erzählt die Autorin, weil sie merken, wie glücklich sie das macht. Ihr Mann, Moderator Stefan Pinnow, hat sich allerdings schon über gelegentliche Stimmungsschwankungen beklagt, je nachdem ob in der Szene, an der sie gerade schreibt, ihre Heldin wütend, ausgelassen oder melancholisch ist. Zeigt er sich vielleicht auch manchmal ein bisschen eifersüchtig? Zum Beispiel wenn Annabel mit ­ihrem langwimprigen Endzwanziger leidenschaftliche Küsse tauscht? „Ach, nein“, lacht Judith Pinnow: „Er weiß, solange ich darüber schreiben kann, brauche ich ihn ja nicht zu betrügen.“