Romane aus unabhängigen Verlagen

Independent Day

12. Juni 2019
Bücher und Autoren aus kleinen, unabhängigen Verlagen geraten beim Kampf um Aufmerksamkeit neben den Produktionen aus Konzernverlagen leicht ins Hintertreffen. Nicht nur diese sechs Neuerscheinungen von Independents haben das Rampenlicht verdient.

Jewgeni Wodolaskin erzählt eine verrückte Geschichte über einen Mann, der aus einem sehr langen Schlaf erwacht und sich zunächst an nichts erinnert. Der Held des Romans „Luftgänger“ findet nur langsam zurück in die Gegenwart, entsinnt sich seiner Kindheit im russischen Zarenreich und seiner Liebe zu Anastassija. Dann erinnert er sich an Revolution und roten Terror. Doch wie kann das sein, stammen die Tabletten, die er nimmt, doch aus dem Jahr 1999? In bester russischer Erzähltradition verschränkt Wodolaskin die Lebensgeschichte des Mannes mit dem Panorama eines ganzen Jahrhunderts. 

Eine eigentümliche Sicht auf die Welt erlebt auch Malina in Thomas Sautners Roman „Großmutters Haus“. Sie erhält ein Päckchen mit viel Geld und einem Schreiben: „Anbei ein paar Zettel mit Nullen drauf. Nicht der Rede wert. Es grüßt dich deine Großmutter Kristyna.“ Daraufhin reist Malina zur Großmutter, von der sie glaubte, sie sei längst tot, und wird von einer munteren Dame empfangen, die ihr erst einmal einen Joint anbietet. Die Macht geschriebener Worte demonstriert auch Charles Lewinsky: „Der Stotterer“, der im Gefängnis sitzt und wegen seines Sprachfehlers ungern redet, treibt mit seiner Schreibkunst ein raffiniertes Spiel. Ein Roman, der sich gut als Satire auf den Literatur- und Medienbetrieb lesen lässt.    

Sein Bruder war einer der meistgesuchten Kriminellen Italiens, er selbst wurde Anwalt und schreibt  heute Bücher über das Leben, die Armut und die Kriminalität in seiner Heimat Kalabrien: Gioacchino Criaco nimmt uns in seinem Roman „Die Söhne der Winde“ mit an die Spitze des italienischen Stiefels, wo man kämpfen muss, um zu überleben: Nicola, Filippo und Antonio wachsen dort in den 1970er Jahren ohne ihre Väter auf, weil diese in Deutschland Geld verdienen müssen. Ihre Mütter verdingen sich für ein paar Lire auf den Jasminfeldern, und die Jungs driften ab in die Kriminalität. Vom Hier und Jetzt in Italien handelt dagegen Davide Enias „Schiffbruch vor Lampedusa“. Im Mittelpunkt des Buchs stehen jene Flüchtlinge, die ihr ­Leben riskieren, um in überfüllten Booten über das Meer nach Europa zu gelangen. Ihnen, aber auch den Rettungskräften und den Bewohnern der Insel Lampedusa, gibt Enia mit seinem Roman eine Stimme.  

Vor dem Hintergrund des Jugoslawienkriegs der 1990er Jahre entfaltet Jakuta Alikavazovic ihren Roman „Das Fortschreiten der Nacht“. Der arme Paul aus den Pariser Banlieues und die reiche Amélia werden ein Paar – und leiden doch unter ihrer eigenen Herkunft, der sie nicht entkommen können.