Victoria Mas: DIE TANZENDEN

Couragierte Frauen

26. März 2020

Ein bizarrer Ball in einer Pariser Klinik und eine junge Frau, die um ihre Freiheit kämpft: Victoria Mas erzählt in „Die Tanzenden“ von einer dunklen Seite des Pariser Lebens Ende des 19. Jahrhunderts.

Paris, 1885: Weil die 19-jährige Eugénie Tote sehen und mit ihnen sprechen kann, bringt ihr Vater sie ins Krankenhaus Salpêtrière, wo die angeblich geisteskranken Frauen interniert sind. Dort trifft Eugénie auf Louise, eine Waise, die fest daran glaubt, dass ein Arzt sie heiraten wird. Außerdem freundet sie sich mit der Aufseherin Geneviève an, der sie Botschaften ihrer verstorbenen Schwester übermittelt. Vor allem aber will Eugénie fliehen – und der „Ball der Verrückten“ in der Salpêtrière könnte ihre Chance sein. 

Dieser Ball ist keine Erfindung der Autorin: Als Victoria Mas zur Geschichte der Klinik Pitié-Salpêtrière recherchierte, stieß sie auf diese bizarre Veranstaltung, bei der die Internierten einmal im Jahr auf eine sensationslüsterne Pariser Oberschicht trafen. Rund um diesen Ball hat Mas einen feinfühligen Roman gewebt, der eine Zeit porträtiert, in der eigenwillige Frauen als wahnsinnig galten. Zugleich behandelt ihr Buch große Fragen: Es geht um Glaube und Zweifel, um vermeintliche Verrücktheit und scheinbare Normalität, um den feministischen Freiheitskampf in einer patriarchalischen Gesellschaft. 

Victoria Mas’ sanfte, präzise Prosa gibt den Frauen der Salpêtrière eine Stimme. Ihre Schicksale erzählen auch viel über das Heute, wie die Autorin weiß: „Immer wieder daran zu erinnern ist nötig, damit sich uns solche Hindernisse nicht von Neuem in den Weg stellen.“ 

Irene Binal

Victoria Mas
Die Tanzenden

Piper

240 S., 20 €

ISBN 9783492070140

Über die Autorin

Victoria Mas wurde 1987 in Le Chesnay geboren und hat viele Jahre in den USA als Script Supervisor, Standfotografin und Übersetzerin gearbeitet. Heute lebt sie in Paris. Ihr Debüt „Die Tanzenden“ erscheint in 16 Ländern und wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet.