Katarina Bivald: EIN BUCHLADEN ZUM VERLIEBEN

"Literatur ist Heimat"

21. August 2014
Katarina Bivald ist eine begeisterte Leserin – wie die Heldin ihres bezaubernden Romans „Ein Buchladen zum Verlieben“. Im Interview erklärt sie den Reiz von Kleinstädten und warum Gott kein guter Erzähler ist.

Frau Bivald, die Heldin Ihres Romans, die schüchterne Schwedin Sara, reist in die USA, um ihre Brieffreundin Amy zu besuchen. Mit ihr teilt sie die leidenschaftliche Liebe zur Literatur. Was bedeuten Bücher für Sie?
Katarina Bivald: Abenteuer, Leidenschaft, Freundschaft. Bücher können mich zum Lachen und zum Weinen bringen. Verglichen mit Literatur ist das Leben langweilig, unstrukturiert, alltäglich. Nur ein Beispiel: Trifft die Heldin eines Romans einen Mann, den sie nicht ausstehen kann, stellt sich höchstwahrscheinlich heraus, dass er unter seiner rauen Schale ganz wunderbar ist. Im wirklichen Leben bleiben Idioten dagegen meist Idioten. Und wer jemandem auf einer Zugfahrt begegnet, kann davon ausgehen, dass er ihn nie wiedersieht. In einem Roman würde die Heldin kurz darauf feststellen, dass er zum Beispiel ihr künftiger Chef ist. Gott hat einfach kein gutes Gespür für Dramaturgie.

Sie selbst sind Schwedin wie Ihre Heldin. Warum haben Sie die Kleinstadt Broken Wheel in den USA zum Schauplatz Ihres Romans gemacht?

Das ist nicht leicht zu erklären, schließlich kenne ich die USA nur aus Büchern. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dort viele Jahre meines Lebens verbracht zu haben. Die amerikanische Literatur ist für mich genauso Heimat, wie es Schweden ist. Aber natürlich wollte ich in meinen ersten Roman auch alles packen, was ich selbst in Geschichten mag: kleine amerikanische Städte, schrullige Charaktere, innige Freundschaft, Bücher und natürlich die Liebe.

Was finden Sie an Kleinstädten literarisch so interessant?
Die Menschen in Kleinstädten kennen sich oft seit ihrer Kindheit, schon die Eltern und Großeltern kannten sich. Das ist literarisch sehr reizvoll. In meinem Roman wollte ich von einer dieser kleinen Städte erzählen, die langsam vor sich hin sterben. Es gibt sie überall auf der Welt. Auf der Suche nach Jobs ziehen viele weg, und die, die zurückbleiben, merken erst spät, dass sie abgehängt wurden. Sie versuchen, das Beste daraus zu machen, den Kopf über Wasser zu halten. Aber es fehlt ihnen die Kraft, um wirklich am Leben teilzunehmen.

Als Sara in Broken Wheel ihren Buchladen eröffnet, beginnt sich die Stimmung im Ort zu verändern.
Beide beginnen sich zu verändern – Sara und Broken Wheel. Sara, die bisher vor allem in Büchern gelebt hat, stellt auf einmal fest, dass auch die Realität und wirkliche Menschen ihre Vorzüge haben. Und die Einwohner von Broken Wheel, fast alle eingefleischte Nichtleser, entdecken ihre Liebe zur Literatur und welche lebensverändernde Kraft sie besitzt.


Sara hat einen originellen Trick entdeckt, um ihre neuen Freunde für Bücher zu interessieren ...
Ja, sie führt in ihrem Buchladen ein ungewöhnliches Ordnungssystem ein. Krimis bekommen beispielsweise das Label „Sex, ­Gewalt und Pistolen“. Und wer nicht gern lange Bücher liest, kann sich aus dem Regal „Kein überflüssiges Wort“ bedienen.
 
Welche Ihrer Figuren mögen Sie am liebsten?
Eigentlich alle. Ich habe so viel Zeit mit ihnen verbracht, dass sie zu Freunden geworden sind. Amy, Saras Brieffreundin, ist wahrscheinlich diejenige, die mir am nächsten ist. Als Sara in Broken Wheel eintrifft, kommt sie gerade noch rechtzeitig zu Amys Beerdigung. In der ersten Version des Romans war Amy noch am Leben. Die Geschichte begann damit, dass Sara in die USA reiste und Amy traf ... und dann passierte gar nichts. Ich habe mit meiner Schwester darüber diskutiert und irgendwann haben wir uns angesehen und gesagt: „Amy muss sterben. Wir müssen Amy töten.“ Eine Figur, die man getötet hat, bekommt natürlich eine ganz andere Bedeutung.

„Ein Buchladen zum Verlieben“ ist Ihr erster Roman. Lesen Sie Bücher anders, seit Sie selber schreiben?
Ich denke mehr über das Handwerk nach, das dahintersteckt. Noch weiß ich nicht, ob mich das zu einer nachsichtigeren oder strengeren Leserin macht: Ich kritisiere Bücher nicht mehr so sehr wie früher, aber es braucht auch mehr, um mich zu beeindrucken. Anfangs befürchtete ich, mich dadurch nicht mehr so leicht in Büchern verlieren zu können. Aber mittlerweile weiß ich, dass die Magie von Büchern nicht verschwindet, nur weil ich nun verstehe, wie sie gemacht sind.