Helmut Günther: MIT FEUEREIFER UND HERZENSLUST

Heiliger Schmelztiegel

23. Februar 2017
Die Kirche hat er zwar gespalten, die Sprache aber geeint: Wie ein ergötzliches Büchlein anhand von 70 Redensarten und Wörtern zeigt, hat Luther unser ­heutiges Standarddeutsch überraschend stark geprägt.

Zum Glück behalten Eltern bei der Berufswahl ihrer Sprösslinge nicht immer das letzte Wort. Egal ob Martin Luthers Vater es damals mit einem „Machtwort“ versucht oder eher „mit Engelszungen geredet“ hat: Sein Sohn ist bekanntlich nicht Jurist geworden, sondern hat sich mit „Feuereifer“ der Theologie zugewandt – und die Bibel ab 1522 mit derlei kraftvollen Wortschöpfungen erstmals ins Deutsche übertragen. 

Was daran auch für Nicht-Kirchgänger interessant ist? Der Germanist Hartmut Günther ­erklärt es im Einführungskapitel: Luthers Bibelübersetzung trug entscheidend dazu bei, die ­Dialekte und Sprachvarianten allmählich zu unserem Standarddeutsch einzuschmelzen. Denn der ­Kirchenspalter formulierte mit einigendem Anspruch – zwar in ­angemessen gehobener Tonlage, aber nicht von oben herab, als müsse er „Perlen vor die Säue werfen“.

Die Heilige Schrift sollten auch die einfachen Leute ­verstehen, ihnen wollte er daher „auf das Maul sehen, wie sie reden“. In­sofern bergen die 70 Luther’schen Redewendungen und Begriffe, die dieses ergötzliche Büchlein unterhaltsam erläutert, auch eine ­aktuelle ­politische Botschaft: Dem Volk aufs Maul zu schauen ist eben nicht dasselbe, wie ihm nach dem Mund zu reden.