Todd Hasak-Lowy: DASS ICH ICH BIN, IST GENAUSO VERRÜCKT WIE DIE TATSACHE, DASS DU DU BIST

Liebe und andere verrückte Tatsachen

3. November 2016
Darrens Leben ist ein ziemliches Schlamassel. Der 15-Jährige ist verliebt in das traurigste Mädchen der Schule und sein Vater hat gerade sein Coming-out. Ein hinreißend schräger Selbstfindungstrip, erzählt in Listen.

Durch die Mongolei reiten, Spanisch lernen, Opa besuchen: Fast alle Menschen führen Listen. Sie schreiben To-do-­Listen von Aufgaben, die sie schon seit Langem vor sich herschieben, Listen von Vorsätzen, die sie „ganz bald“ angehen werden, und von Abenteuern, die sie erleben wollen, ehe es dafür zu spät ist. Listen helfen, Ordnung und Struktur zu schaffen, allzu spannend sind sie in der Regel allerdings nicht. 

Ganz anders die Listen in dem herrlich schrägen Roman „Dass ich ich bin, ist genauso verrückt wie die Tatsache, dass du du bist“. Held der Geschichte ist der 15-jährige Darren, dessen Leben gerade tüchtig ins Schlingern gerät. Dass sich der Leser so gut in Darren hineinversetzen kann, gelingt Autor Todd Hasak-Lowy mit eben­diesem höchst ungewöhnlichen Kniff: Er erzählt seinen Roman in Listen – und die sind nicht etwa brav und strukturiert, sondern genauso assoziativ und überraschend wie Darrens Gedankengänge. So werden zum Beispiel die vier Tage aufgelistet, „die Darren im Nachhin­ein zum Heulen findet, auch wenn er an keinem dieser Tage tatsächlich geheult hat“. Es werden Adjektive auf­gezählt, mit denen seine Klassenkameraden Darren beschreiben würden (1. pummelig, 2. nett, 3. tollpatschig). Der Leser darf sich über sieben originelle Variationen von „Ruf mich bitte an“ freuen, über eine Liste der zehn Themen, die Darren und sein Dad während der Fahrt zur Schule nicht erörtern, und über die Top 3 der Mädchen, an die Darren denkt, während er zu seiner ersten ­Unterrichtsstunde geht. 

Todd Hasak-Lowys selbstironischer Held steckt ganz offenbar mittendrin im üblichen Teenager-Schlamassel: Wer bin ich, was will ich und wie kann ich das schönste Mädchen der Schule für mich gewinnen? Allein mit solchen Fragen hat der Junge eigentlich schon genug zu tun – da eröffnet sein Vater ihm eines Morgens, dass er homosexuell ist. Darrens Welt gerät durch das Coming-out seines Dads völlig durcheinander. Hals über Kopf flüchtet er in ­einem Doppeldeckerbus zu seinem Bruder Nate, der an einem ­College in Michigan studiert.

Der Zufall will es, dass Zoey, eines der Top-3-Mädchen und „vielleicht die traurigste Person der ganzen Schule“, im gleichen Fernbus sitzt. Darren ist so überrascht, dass er sofort „sieben nicht durchweg einleuchtende Theorien“ entwickelt, um sich Zoeys Anwesenheit zu erklären. Punkt 6: Sie mag Darren oder liebt ihn sogar insgeheim, und das ist jetzt ihre Chance. Punkt 7: Sie ist verrückt, mehr oder weniger. Welche Motive Zoey aber auch immer hat, Darren kann sein Glück kaum fassen und lädt das schweigsame, „superblasse“ Mädchen mit den schönen Lippen und den seltsamen Zeichnungen auf den Armen auf die Couch seines Bruders ein. Dabei hätte ­Darren eigentlich ahnen können, dass sein ohnehin schon kompliziertes Leben dadurch kein Stückchen einfacher wird ...

Es ist natürlich ein kleines Wagnis und reichlich unkonventionell, einen Roman komplett in Listen zu verfassen. Aber es ist ein schönes Wagnis und eines, das sich lohnt. Denn beim Lesen erzeugen die sich jagenden Listen einen ganz besonderen Flow. Der erfasste offenbar auch Autor Todd Hasak-Lowy selbst: Die erste Fassung des Romans schrieb er „innerhalb von einundfünfzig Tagen herunter, in einem wunderbar manischen Zustand bedenkenloser Zuversicht“. Sieben Fassungen und drei Jahre später ist aus all den aufgelisteten Gedanken, Erlebnissen und Gefühlen  des ungemein gewinnenden Helden ein funkelnder Roman geworden – mit jeder Menge Tempo, Witz und psychologischer Tiefenschärfe: ein Selbstfindungstrip, der bei allem Humor tief berührt.