Romy Fölck: TOTENWEG

Düstere Geheimnisse

28. Februar 2018
Alte Apfelhöfe, ungeklärte Verbrechen und eine eingeschworene Dorfgemeinschaft: Romy Fölcks Kriminalroman „Totenweg“ fesselt mit Spannung und Atmosphäre. Wir haben die Autorin in der Elbmarsch besucht.

Ein dunkler Dezembervormittag in einem kleinen Dorf in der Elbmarsch. Der Wind peitscht den Regen über das flache Land, über den Deich, weit über den breiten Strom der Elbe. Vom Trubel der nahen Großstadt Hamburg ist hier nichts zu spüren. Vereinzelt fahren Autos durch die Hauptstraße, die meisten Gast­höfe haben während der Woche geschlossen, die Zeit scheint stillzustehen. Wo sonst ließen sich Krimis besser schreiben als in dieser abgelegenen Marschlandschaft, die trotz ihrer herben Schönheit wenig bekannt ist? 

Romy Fölck lacht. Bei ihr zu Hause in der Wohnküche ist es hell und warm, es gibt Kaffee und Plätzchen. Tatsächlich, sagt sie, inspiriere sie die Elbmarsch mit ihren einsam gelegenen Höfen, den Feldern und alteingesessenen Familien zu vielen Geschichten. Beim morgendlichen Joggen sei ihr die Idee zu ihrem neuen Kriminalroman „Totenweg“ gekommen. Darin bekommt Kommissar Bjarne Haverkorn es mit einem schweren Überfall auf einen Dorfbewohner zu tun. Doch auch ein ungeklärter Mordfall lässt den alten Ermittler nicht zur Ruhe kommen: Vor 18 Jahren wurde ein junges Mädchen in einem stillgelegten Viehstall in dem Dorf Deichgraben erdrosselt; gefunden wurde Marit damals von ihrer besten Freundin Frida Paulsen. 

Neue Heimat Elbmarsch
Das Dorf Deichgraben gibt es nicht. Und doch könnte es überall hier sein. Erst vor fünf Jahren ist Romy Fölck aus Leipzig zu ihrem Partner an die Elbe gezogen. Keine lange Zeit eigentlich, und doch ist sie längst angekommen. Das zeigt auch ihr Roman, der die norddeutsche Sprache, die feine Melancholie und die herzlich-ruppige Art der Dorfbewohner hervorragend trifft. „Ich bin hier zu Hause. Es wird oft von den kühlen Norddeutschen gesprochen, aber ich wurde vom ersten Tag an mit offenen Armen aufgenommen.“ Und weil Fölck gern mit ihren Nachbarn klönt, genau zuhört und beobachtet, gelingt ihr das Beschreiben des dörflichen Lebens außerordentlich gut. 

Aufgewachsen ist die Autorin auf dem Lande, im sächsischen Wunschwitz in der Nähe von Meißen. Die Themen der Apfelbauern sind ihr deshalb vertraut, ob es um die Ernte, die wirtschaft­lichen Herausforderungen oder landwirtschaftliche Fahrzeuge geht. Eines hat sie aber bei aller Liebe zur Natur und zum länd­lichen Leben schon von klein auf gewusst: Sie wollte nichts anderes sein als Schriftstellerin. Ihr Vater war nicht begeistert von diesem Wunsch, ihm lag die sichere Zukunft seiner Tochter am Herzen. Fölck entschied sich für ein Jurastudium, arbeitete zehn Jahre lang für ein großes Unternehmen und schrieb nebenberuflich. Dann wurde der Sitz der Firma aus Leipzig nach Berlin verlegt und die damals 38-Jährige setzte alles auf eine Karte: Anstatt in die Hauptstadt zu gehen, kündigte sie ihren Job und zog als freie Schriftstellerin zu ihrem Partner in die Elbmarsch.

Debüt als Spitzentitel
 „Ich habe mir drei bis fünf Jahre Zeit gegeben, um zu schauen, ob ich vom Schreiben leben kann“, erzählt sie. Ihre Devise: Lieber scheitern, als gar nicht ausprobieren. Der Mut hat sich gelohnt. Bastei Lübbe erkannte das Potenzial der Autorin und nahm sie gleich für vier Krimis unter Vertrag. Auch das Jurastudium stellt sich rückblickend als sinnvoll heraus: Die genaue Recherche, die Kenntnis juristischer Prozesse und die Zusammenarbeit mit Richtern helfen ihr bei der Entwicklung ihrer Plots. Dass „Totenweg“ fünf Jahre später Spitzentitel eines großen Verlags sein würde, damit hat sie trotzdem nie gerechnet. „Ich bin jetzt da, wo ich immer sein wollte“, sagt sie freudestrahlend. 

Romy Fölck ist eine fröhliche, warmherzige Frau, die oft lacht und schon im Gespräch vor Erzählfreude sprüht. „Die Geschichten wollen aus mir heraus, ich kann nicht anders.“ Das zeigt sich auch in „Totenweg“. Es ist ein fesselnder, vielschichtiger Roman, in dem sie dem alten, ungeklärten Mordfall spielerisch mit der Gegenwart verknüpft: Frida, die seit dem Tod ihrer besten Freundin ein düsteres Geheimnis mit sich herumträgt, ist heute selbst Polizistin. Gemeinsam mit Kommissar Haverkorn rollt sie den Mordfall an ihrer Freundin neu auf, nicht ohne sich dabei selbst in höchste Gefahr zu bringen und ihre eigenen alten Wunden wieder aufzureißen. 

Mit angehaltenem Atem folgt man dem Geschehen – und da es Fölck hervorragend gelingt, die Spannung bis zur letzten Seite zu halten, braucht es bei der Lektüre immer wieder die Erinnerung: Weiteratmen! Und weiterlesen. Unbedingt.

Steckbrief

Name: Romy Fölck
Titel des Buchs: „Totenweg“
Lieblingssatz aus dem Buch: „Jede Familie hat ihre Schatten.“
Der perfekte Ort, um das Buch zu lesen: Wenn ein Buch gut ist, kann man es überall lesen. Selbst am ungemütlichsten Ort der Welt.
Welchem Prominenten würden Sie Ihr Buch gern überreichen und welche Widmung stünde drin? Schauspieler Uwe Kockisch, mit folgender Widmung: „Bitte übernehmen Sie die Rolle des Bjarne Haverkorn in der Verfilmung von ,Totenweg’!“ Vor Kurzem sah ich ihn in einem Fernsehkrimi und er war einfach grandios! Ich dachte sofort: Das ist mein Haverkorn!
Wie sieht Ihr Arbeitstag aus? Morgens lese und korrigiere ich noch beim ersten Kaffee die Szenen, die ich am Vortag geschrieben habe. Danach gehe ich eine große Runde laufen. Erst dann beginne ich zu schreiben.
Wer das Buch liest, fühlt sich nach der letzten Seite … 
… angesteckt! Er oder sie möchte unbedingt den nächsten Band der Reihe lesen. Wenn ich diese Rückmeldung irgendwann bekomme, habe ich alles richtig gemacht.