„Im Prinzip bin ich ganz bei Ihnen, Lenn. Allerdings gibt es schon länger die Vermutung, dass sich die Deutschen damals selbst ausgetrickst haben. Dass neben dem Haufen wertloser Ölschinken nämlich aus Versehen auch ein paar ganz außerordentlich bedeutende Gemälde verbrannt wurden.“
„Diese These kenne ich natürlich auch. Es hat nur nie einen Beweis dafür gegeben. Deshalb war diese
sogenannte These für mich nie mehr als ein Gerücht.“
„Wenn Dupret nicht total übergeschnappt war, müssen wir diesem Gerücht womöglich doch eine Chance geben, Gentlemen. Er stellte nämlich die Behauptung auf, dass im Jeu de Paume tatsächlich etwas gründlich schiefgelaufen ist. Eine ganze Reihe von wertvollen Objekten aus einer Privatsammlung sei damals plötzlich verschwunden. Namen nannte er nicht. Nur, dass es sich um neun Gemälde handelte, die – und jetzt kommt es: irrtümlicherweise im Feuer landeten. Weil nämlich irgendein schlafmütziger Wachmann sie in einen falschen Lagerraum gebracht hatte. Und zwar in genau jenen Lagerraum, in dem der ganze Mist untergebracht war, der am Tag darauf bei Görings Flammenspektakel draufging.“
„Und was sagt uns das jetzt?“, warf Lomberg wenig beeindruckt ein.
„Die Geschichte geht noch etwas weiter, Lenn.“ Deveraux war aufgestanden, griff nach einem herumliegenden Holzscheit und warf ihn ins Kaminfeuer. An den Sims gelehnt, nahm er einen Schluck von seinem Calvados und ergriff wieder das Wort. „Das eigentlich Interessante ist der zweite Teil von Duprets Geschichte. Die besagten neun Bilder sollen nämlich nur zwei Tage vor der Verbrennungsaktion von der Kunstschutztruppe der Militärverwaltung im Jeu de Paume abgeholt und am Tag darauf wieder dorthin zurückgebracht worden sein.“
„Geht die Geschichte noch weiter oder stehe ich auf der Leitung?“
„Sie geht noch weiter. Die Bilder wurden ausgetauscht. Wenn Duprets Geschichte stimmt, hieße das, dass die Bilder vom Kunstschutz entwendet wurden und durch andere, vermutlich wertlose ersetzt wurden.“
Peter schaltete sich ein: „Verstehe. Die Rosenberg-Leute im Jeu de Paume haben den Coup der Militärverwaltung nicht bemerkt, dann haben sie ihre Bilder verbrannt und als sie irgendwann feststellten, dass in der wertvollen Privatsammlung etwas fehlte, mussten sie davon ausgehen, dass sie versehentlich genau diese Bilder vernichtet haben. Weil der Wachmann geschlafen hat.“
„Exakt, Peter. Besser hätte ich es nicht erklären können. Und in der Konsequenz wurden die Bilder aus dem Bestand ausgebucht und hatten somit offiziell aufgehört zu existieren. Sicher ahnen die Herren schon, worauf das nun hinausläuft?“ Barrington und Lomberg nickten.
„So ist es. Eines der neun Bilder ist angeblich jenes, welches diese sogenannte Stiftung, die so gerne im Verborgenen bleiben möchte, jetzt zurückgeben will. Das jedenfalls behauptete Dupret.“
Peter überließ Lomberg mit einer knappen Geste das Wort, der sich aber auch erst einen Moment sammeln musste.
„Also wollte Ihnen Dupret weismachen, dass sich die Nazis selbst beklaut haben?“, schloss Lomberg schließlich, nach außen hin immer noch betont skeptisch, aber insgeheim schon leicht elektrisiert.
„Sie müssen bedenken, Lenn, Nazi war nicht gleich Nazi. Es gab 1943 ganz sicher ein paar Deutsche in Paris, die schon mal für die Zeit danach vorsorgen wollten. Und dabei nicht mehr unbedingt vom Endsieg ausgingen. Und dass es solche Leute auch beim Kunstschutz beziehungsweise in der Militärverwaltung gegeben hat, ist plausibel. Dort gab ja die Wehrmacht den Ton an, nicht die Partei.“
„Das ist doch wie im Film!“, kam es aus Peters Ecke, begleitet von einem schallenden Gelächter. „Das kann sich doch kein Mensch mal so eben ausdenken! Wenn das erst der Appetizer war, bin ich gespannt, wie es mit der Hauptspeise weitergeht.“
„Mit der Hauptspeise kann ich nicht dienen, Gentlemen. Aber einen Zwischengang gäbe es noch. Dupret hat uns zumindest noch ein ziemlich spektakuläres Detail serviert.“
„Wir sind ganz heiß auf Details.“
Lomberg nickte und schwieg.
„Wie wir alle wissen, haben es die Besatzungsmächte bei der Entnazifizierung ja nicht gerade übertrieben.“
„Gewiss nicht“, bemerkte Lomberg giftig. „Und wir Deutsche waren auch nicht so besonders eifrig beim Ausmisten des Stalls.“