Judith funktioniert einwandfrei. Sie ist fast 50, hat drei Söhne großgezogen, ein Haus in Wedel bei Hamburg, einen Halbtagsjob und einen anständigen Mann. Sie ist aus guten Gründen seit 20 Jahren mit dem Falschen verheiratet. Die Lebenslüge, mit der sie seither lebt, fühlt sich fast schon an wie die Wahrheit. Dann stirbt Judiths Mutter und sie kehrt zurück in ihre alte Heimat: ein kontaminierter Ort, den sie einst fluchtartig verließ. Zurückgelassen hat sie dabei ein leeres Grab, einen Traum und ihre beste Freundin Anne.
Auf dem Friedhof sehen die beiden sich wieder. Die Autorin hieße nicht Ildikó von Kürthy, wenn das souverän abliefe. Natürlich lässt die Autorin ihre Heldin die aufwühlenden Fragen einer Frau an der Schwelle zur „zweiten Halbzeit“ des Lebens durchleiden. „Lernen, worauf es ankommt“ – darum geht es für Judith. Und ebenso für Anne, denn bei der Freundin hat das Schicksal auf andere, schreckliche Weise zugeschlagen.
Ildikó von Kürthy hat im Interview über die weibliche Midlife-Crisis gesagt: „Da herrscht so viel Unzufriedenheit ausgerechnet zu einem Zeitpunkt im Leben, wo man eigentlich allen Grund hätte, zufrieden zu sein.“ Ihr Roman voller Sprachwitz nimmt die Sinnfragen ernst. Ein Buch über Träume, Freundschaft und das Loslassen. Amüsant, schmerzhaft und voller Lebensmut.