Joyce Maynard: GUTE TÖCHTER

Gefährliche Hilfe

12. Oktober 2015
Ein Krimi, der eigentlich keiner ist: Zwar tritt ein Serien­mörder auf, aber Joyce Maynards Roman ist vor allem eine berührende Geschichte vom Erwachsenwerden: klug, spannend und wunderbar erzählt. 

Die Schwestern Rachel und Patty Torricelli wachsen im Kalifornien der 1970er Jahre auf. Ihr Vater Anthony ist Kommissar bei der Mordkommission und ein berüchtigter Frauenheld; ihre Mutter Lillian leidet unter Depressionen, seit Anthony sie verließ. Dennoch hängen die Mädchen mit zärtlicher Liebe an ihrem Vater – und als dieser einen Serienmörder jagen muss, der in den Bergen sein Unwesen treibt, will die 13-jährige Rachel ihm helfen. In Visionen glaubt sie, den sogenannten Sunset Strangler zu erkennen, aber mit ihren Nachforschungen bringt sie nicht nur sich selbst, sondern die ganze Familie in Gefahr.

All das klingt wie ein Krimi, aber tatsächlich geht es Joyce Maynard nicht so sehr um die Jagd auf einen Killer: Mit viel Einfühlungsvermögen versetzt sie sich in die komplexe Gefühlswelt eines Mädchens an der Schwelle zur Adoleszenz, das verzweifelt auf seine erste Periode wartet und seinem wegen der erfolglosen Ermittlungen unter Beschuss geratenen Vater unbedingt zum Durchbruch bei seinem Fall verhelfen will.

„Es geht vor allem um die große Verletzlichkeit der Mädchen“, sagte Maynard der „Washington Post“. „Mich hat die fantastische Gedankenwelt einer 13-Jährigen interessiert.“ In diese Gedankenwelt taucht sie ein, in einer mitreißenden Prosa, die stellenweise ein wenig an John Irvings frühe Werke erinnert. Es ist ein Roman der leisen Töne, der gerade deshalb eine umso größere Wirkung entfaltet.