So hat sich Greer ihren Studienbeginn nicht vorgestellt: Gleich auf ihrer ersten Party wird sie von einem Studenten sexuell belästigt. Inwiefern ist dieses Erlebnis ein Schlüsselmoment für Ihre Hauptfigur?
Greer fühlt sich von der Situation völlig überrumpelt: Ist sie Opfer einer straffälligen Handlung geworden? Hat sie das Recht, verletzt und aufgebracht zu sein? Oder soll sie den Vorfall einfach vergessen und verschweigen? Ich glaube, dass viele junge Frauen schon einmal eine ähnliche Erfahrung gemacht haben und nun unsicher sind, was sie fühlen (dürfen), wie sie reagieren sollen und ob sie jemanden ins Vertrauen ziehen wollen. Letztlich wird Greer durch diese übergriffige Begegnung klar, wozu sie als Frau in unserer Welt berechtigt ist und was sie von ihr erwarten darf.
Sie beginnen Ihren Roman mit einer Szene, die uns im Zuge der „MeToo“-Debatte nur allzu bekannt vorkommt. Was halten Sie von den Anklagen all dieser Frauen?
Worüber wir momentan diskutieren, ist ja leider schon seit Ewigkeiten bekannt. Aber jetzt wird endlich mal Klartext gesprochen, und zwar laut und in aller Öffentlichkeit. Niemand weiß, wohin uns das führen wird, denn die Situation ist neu und die Bewegung vielleicht schnelllebig.
Die zweite, für Greer prägende Erfahrung in ihren ersten Wochen am College ist der Besuch von Faith Frank, einer Ikone der Frauenbewegung. Wie wichtig ist die Feministin Faith für Greers weiteren Lebensweg?
Die Begegnung ist für Greer der alles entscheidende Moment. Faith gibt ihr das Gefühl, dass etwas Besonderes in ihr steckt – und eröffnet ihr damit ein neues Leben, eine größere Welt.
Hatten Sie als Studentin eine ähnlich inspirierende Begegnung mit einer Frau, die Sie bewundert haben?
In meinem Leben gab es eine Reihe von Frauen, die mich ermutigt und gefördert haben, als ich jung war. Acht von ihnen habe ich diesen Roman gewidmet. Noch heute denke ich oft an sie, denn jede hatte – auf unterschiedliche Weise – einen enormen Einfluss auf mich.
In fast allen Branchen und Berufen existiert noch immer ein Gender-Gap. Wie sieht es diesbezüglich in der schreibenden Zunft aus? Was haben Sie dort beobachtet?
Tatsächlich gibt es in der literarischen Welt nicht nur in puncto Veröffentlichungen und Preisvergaben immer noch einen ganz beträchtlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Ich habe das schon vor einigen Jahren in einem langen Essay in der „New York Times Book Review“ beschrieben. In letzter Zeit gab es auf dem amerikanischen Buchmarkt allerdings ein paar positive Signale – aber auf dem Weg zur Gleichberechtigung haben wir noch ein ganzes Stück vor uns.