Buchjournal-Fragebogen

#Autorenbesuchen - Heute bei Kai Meyer

2. April 2020
Die Corona-Pandemie bestimmt derzeit unser Leben – und natürlich auch das von Autorinnen und Autoren. Zu Hause arbeiten ist für sie zwar nichts Neues, doch auch ihr Alltag sieht momentan oft ganz anders aus. Wir haben nachgefragt und präsentieren unter #Autorenbesuchen regelmäßig neue Antworten aus dem literarischen Homeoffice.

Kai Meyer ist ­einer der erfolgreichsten und produktivsten deutschen ­Phantastik-Autoren. Seine Romane wurden verfilmt und bisher in 30 Sprachen übersetzt. Gerade erschien von ihm "Serafin", die lange erwartete Fortsetzung seines Merle-Zyklus.

Wie sehen Ihr Alltag und Ihre Arbeit momentan aus?
Bislang hat sich in meinem Alltag wenig verändert. Als Autor sitzt man ja eh meist in einer Art freiwilligen Quarantäne. Positiv ist: Die Pause mit dem Weg zum Bäcker lasse ich jetzt lieber bleiben, das ist in gewisser Weise erfreulich. Negativ: Ich versuche, jeden Gedanken über aktuelle Buchverkäufe auszublenden. Darin bin ich eher mäßig erfolgreich, das köchelt auf kleiner Flamme im Hinterkopf. 

Was ist die größte Herausforderung?
Anfangs war es für mich eine Herausforderung, nicht alle zwanzig Minuten in irgendwelche Nachrichten-Apps zu schauen. Das hab ich mittlerweile im Griff, auch weil man das Thema ja irgendwann über hat. Jetzt reichen mir wieder morgens die Tageszeitung und abends die Nachrichten im Fernsehen und hier und da eine Sondersendung, damit ist mein Bedarf an Corona-News dann auch definitiv gestillt.

Worauf freuen Sie sich persönlich besonders, wenn die Krise mal vorbei ist?
Markus Heitz, Bernhard Hennen und ich hatten gemeinsam mit einem Konzertveranstalter eine gemeinsame Deutschland-Tournee durch Theater und Säle organisiert, die in diesen Tagen stattfinden sollte. Die mussten wir natürlich absagen und holen sie – laut derzeitiger Planung – Anfang nächsten Jahres nach. Darauf habe ich mich lange gefreut und tue es nun eben noch ein wenig länger.

Welches Buch lesen Sie gerade?
Ganz sicher nicht „Die Pest“. Das ist so ein merkwürdiger Reflex von vielen, den ich nicht verstehe. Ich schaue mir auch nicht noch mal „Contagion“ oder „Outbreak“ an. Stattdessen lese ich wie immer mehrere Romane und Sachbücher parallel, unter anderem „Das Buch der verborgenen Dinge“ von Francesco Dimitri und „Zwei Wochen in einer fremden Stadt“ von Irwin Shaw. 

Welches Buch sollten Buchjournal-Leser*innen jetzt oder später unbedingt lesen?
Auf keinen Fall eines über Seuchen, Viren und Epidemien. Lassen Sie sich das nicht von irgendwelchen Verlagen einreden, die jetzt Schnellschüsse auf den Markt werfen. Braucht kein Mensch.

Was macht für Sie ein gutes Buch aus?
Große emotionale Anteilnahme beim Lesen. Und eine starke Bildhaftigkeit.

Welches Buch würde in Ihrer Bibliothek niemand erwarten?
Ich bin jetzt zehn Minuten an den Regalen entlanggelaufen und habe verzweifelt nach etwas gesucht, das so gar nicht hineinpasst. Aber die Bandbreite ist groß genug, um so ziemlich alles einigermaßen schlüssig einsortieren zu können. Vom schlimmen Trash bis zur Hochliteratur, vom Kinderbuch bis zum Erotikklassiker ist alles da, dazwischen fällt nichts aus dem Rahmen.

Wie sieht für Sie (in normalen Zeiten!) ein gelungener Tag aus?
Kaum anders als derzeit. Ich freue mich, wenn ich bis zum Abend sieben bis zehn Manuskriptseiten geschrieben habe. Im Augenblick arbeite ich an zwei Hörspielserien für Audible, und wenn ich das Gefühl habe, ein bis zwei gute Szenen am Tag geschrieben zu haben, bin ich zufrieden.

Welche geheime Leidenschaft haben Sie?
Katjes Tropenfrüchte. Aber sie schmeckten besser, als sie noch nicht vegan waren. Ich bin ein äußerst sporadischer Fleischesser, und den Gedanken an Gelatine finde ich grundsätzlich eher eklig, aber in anständige Tropenfrüchte gehört sie offenbar hinein. Ich sollte einen offenen Brief an den Hersteller schreiben.

Eine Eigenschaft, die Sie bewundern?
Aufopferungsbereitschaft.

Wofür sind Sie dankbar?
Diesen Eindruck von Zusammenhalt, den die Krise gerade mit sich bringt, finde ich überraschend und beeindruckend. Ich bezweifle, dass er allzu tief reicht – siehe Hamsterkäufe –, und ganz sicher wird sich die Gesellschaft nicht nachhaltig verändern, auch wenn Zukunftsforscher das jetzt behaupten werden, um ihr Bücher zu bewerben, die in ein paar Monaten erscheinen. Aber einfach mal durchzuatmen (hinter der Maske) und ein bisschen dankbar dafür zu sein, tut uns allen gut.