Rachel Joyce: DER NIE ABGESCHICKTE LIEBESBRIEF AN HAROLD FRY

Die Wahrheit hinter Pfefferminzbonbons

30. September 2014
Ihr Debütroman „Die unwahrscheinliche Reise des Harold Fry“ war ein großer Erfolg. Nun hat Rachel Joyce eine Fortsetzung geschrieben – aus der Perspektive der todkranken Queenie, für die Harold durch halb England wanderte. 
Wussten Sie immer, dass es einen zweiten Teil geben wird?
Einige Leser baten mich darum, aber ich habe lange hartnäckig abgelehnt. Ich hatte das Gefühl, dass ich nur wieder das gleiche Feld beackern würde. Doch dann hatte ich plötzlich Queenies Geschichte im Kopf. Ich fragte mich, wie kann eine sterbende Frau auf einen Mann warten, der erst noch zu Fuß durch halb England geht? Und will sie das überhaupt?

So lassen Sie Queenie ein zweites Mal an Harold schreiben ...
Der Brief, den sie ihm im ersten Roman schickt, ist ein höflicher Abschied. Als sie dann aber hört, dass Harold auf dem Weg zu ihr ist, bekommt sie Panik und Gewissensbisse. Sie hat so viel vor ihm geheim gehalten – 20 Jahre lang. In ihrem zweiten Brief gesteht sie Harold all das, was er nicht weiß – die Wahrheit.

Und wie sieht diese Wahrheit aus?
Es ist ein Schlüsselthema des Romans, dass jede Geschichte viele Geschichten beinhaltet. Im ersten Teil haben wir Queenie so kennengelernt, wie Harold sie sieht. Aber sie ist nicht nur die kleine, stille Frau im braunen Wollkostüm mit Pfefferminzbonbons in der Handtasche. Nur weil sie schweigsam ist, heißt das nicht, dass sie nicht ein ganzes Universum an Gedanken und Gefühlen in sich trägt. Jeder Mensch ist viel mehr als das, was wir auf den ersten Blick sehen.