Volker Weidermann: BRENNENDES LICHT

"Das neue Leben war ein großes Glück für sie"

8. Oktober 2020

In seinem Buch „Brennendes Licht“ erzählt „Spiegel“-Redakteur Volker Weidermann von den mexikanischen Exiljahren der Schriftstellerin Anna Seghers.

Welche Bedeutung haben die Jahre von 1941 bis 1947 im Leben von Anna Seghers?
Wie für alle anderen Exilanten auch ist das Exil für sie eine existenzielle Erfahrung: Alles wird infrage gestellt, es geht ums Überleben. Aber Anna Seghers ist in der Zeit mit ihrem ­Roman „Das siebte Kreuz“ zugleich zum Weltstar geworden. Und schließlich wäre sie in Mexiko bei einem Verkehrsunfall fast ums Leben gekommen. Sie hatte ihr Gedächtnis verloren und musste Schritt für Schritt ihr Bewusstsein zurückgewinnen.

War das mexikanische Exil grundsätzlich mit besonderen Härten verbunden?
Anna Seghers hatte keine Ahnung von Mexiko und konnte kein Spanisch. Aber dieses völlig neue Leben, die Leichtigkeit, die Helligkeit bedeuteten ein großes Glück für sie. Das Besondere an dieser Exilbiografie ist, dass da eine Weltschriftstellerin hauptsächlich als Familienmanagerin agiert und ein ganzes Familienunternehmen von Berlin nach Mexiko transferiert.  

Anna Seghers hat großartige Romane geschrieben, und sie war zugleich eine linientreue Kommunistin. Wie geht das zusammen?
Es gibt ein Zitat von ihr: In einem brennenden Haus können wir keine Rücksicht auf Einzelne nehmen. Aus ihren Büchern lässt sich lernen, dass das Gegenteil zutrifft, dass der Einzelne zählt. Einerseits ist Anna Seghers diese empathische Schriftstellerin und andererseits gleichzeitig im Umgang mit den Genossen eine Ideologin. Vielleicht ist es für manche Menschen irgendwann zu spät, radikal umzukehren.  

Interview: Holger Heimann

Volker Weidermann
Brennendes Licht

Anna Seghers in Mexiko. 
Aufbau Verlag, 
186 S., 18,– €,
ISBN 978-3-351-03794-9

Über den Autor

Volker Weidermann, geboren 1969 in Darmstadt, war Feuilletonchef der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und ist seit 2015 Autor beim „Spiegel“. Von 2015 bis 2019 leitete er die ZDF-Sendung „Das Literarische Quartett“.