Douglas Stuart: SHUGGIE BAIN

Grenzenlose Liebe, unerreichbares Glück

29. August 2021

Ein Roman, der unter die Haut geht: Eindringlich und schonungslos erzählt Douglas Stuart in „Shuggie Bain“ eine bezwingende Geschichte von der zerstörerischen Kraft des Alkohols und einem Jungen, der seine Mutter retten will.
 

Shuggie Bain wächst in den 1980er Jahren in Glasgow in ­einer Arbeiter­siedlung auf. Sein Vater, ein ­Taxifahrer, kann mit seinem Sohn, der Fußball hasst und Regen­bogenponys liebt, nichts anfangen und verlässt die Familie. Seine Mutter Agnes sucht Trost im Alkohol, und das Zischen, wenn sie die Bierdosen öffnet, wird zur Begleitmusik von Shuggies Kindheit.  

Agnes, schön wie die junge Elizabeth Taylor, versucht ihre Sucht hinter eleganter Kleidung und ­makelloser Schminke zu verbergen, aber immer wieder betrinkt sie sich, ­immer wieder muss Shuggie sie nach ­Hause schaffen, ihren Geschichten von den bösen Männern lauschen und ihre ehemaligen Lover anrufen, damit ­seine Mutter diese am Telefon beschimpfen kann. Shuggies Schwester ­Catherine flüchtet in eine Ehe, die sie weit weg führt; sein Bruder Leek bemüht sich, die Familie zusammenzuhalten, aber nach ­einem von Agnes’ Suizidversuchen gibt auch er auf: „Ich kann nicht immer der sein, der alle rettet.“

Beim nächsten Song sah Shuggie seiner Mutter zu, wie sie mit der Bierdose durchs Zimmer tanzte. Agnes schloss die Augen und träumte sich an einen Ort, wo sie jung und hoffnungsvoll und begehrenswert war. 

Aus: „Shuggie Bain“

In einer klaren und feinfühligen Prosa zeichnet Douglas Stuart das Leben im Glasgower Arbeitermilieu nach, ein Leben mit viel Alkohol und wenig Hoffnung für einen Jungen, dessen Anders­artigkeit ihn zur Zielscheibe von Spott und Gewalt macht. Es ist ein Leben, das der Autor allzu gut kennt: Auch er wuchs in einer Arbeitersiedlung als Sohn einer alkoholkranken Mutter auf, auch ihm begegneten die anderen Kinder wegen seiner Homosexualität mit Ablehnung und Feindseligkeit. 

In seinem Text verarbeitet er diese Erinnerungen, zeichnet das Bild einer Frau, deren Versuche, der Welt mit Stärke und Schönheit entgegenzutreten, an ihrer Sucht zerschellen, und eines Sohnes, der seine Mutter vor ihren Dämonen beschützen will und sich in einen vergeblichen Kampf verstrickt. Es ist ein beeindruckender Roman, der nicht umsonst mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet wurde: ein faszinierendes Buch, das mit großer Empathie von einer Spirale der Abhängigkeit erzählt, und ein perfektes Debüt, mit dem sich Douglas Stuart als literarische Stimme etabliert hat, der man zuhören sollte.

Über den Autor

Douglas Stuart, in Glasgow geboren und aufgewachsen, studierte am Royal College of Art in London und arbeitete anschließend als Modedesigner in New York. Seine Texte sind im „New Yorker“ und auf der Website lithub.com erschienen. Für sein Romandebüt „Shuggie Bain“ wurde Stuart mit dem Booker Preis 2020 ausgezeichnet.

Douglas Stuart
Shuggie Bain

Übersetzt von Sophie Zeitz. 
Hanser Berlin, 
496 S., 26,– €,
ISBN 978-3-446-27108-1