Bonnie Garmus: EINE FRAGE DER CHEMIE

Kochshow als Chemiestunde

21. April 2022

Elizabeth ist mit Herz und Seele Chemikerin – in einer Zeit, in der Männer die Wissenschaft dominieren. Spritzig und charmant erzählt Bonnie Garmus von einer Frau, die selbstbewusst ihren Weg geht.

W ir schreiben das Jahr 1961. Frauen haben in der Gesellschaft nichts zu sagen, sie werden hinter den Herd verbannt und dürfen in der Wissenschaft bestenfalls Assistenzdienste verrichten. Aber Elizabeth Zott will sich diesem Diktat nicht beugen: Sie möchte Chemikerin werden, im Bereich der Abiogenese, der chemischen Evolution, forschen, obwohl sie aus dem Promotionsprogramm geflogen ist. Dann lernt sie den brillanten Kollegen Calvin Evans kennen, der sie und ihre Theorien ernst nimmt und der sich ebenso heftig in sie verliebt wie sie sich in ihn. Gemeinsam könnten sie die Welt der Wissenschaft aus den Angeln heben – doch ein Schicksalsschlag macht alle Pläne zunichte. Und Elizabeth muss sich fortan als alleinerziehende Mutter durchschlagen. 

In einer unverwechselbaren Prosa, die sich mühelos zwischen betörender Leichtigkeit und nachhaltiger Tiefe bewegt, erzählt Autorin Bonnie Garmus von einer eigenwilligen Frau, die trotz aller Widrigkeiten fest daran glaubt, dass sie sich durchsetzen kann, wenn sie nur ihr Bestes gibt. Und das tut sie – auch, als sie aus finanziellen Gründen das Angebot eines TV-Senders für eine Kochshow annimmt. Die Produktionsleitung ist entsetzt, als Elizabeth sich weigert, als Hausfrau in Blümchenschürze aufzu­treten, und stattdessen im schlichten Outfit und mit Bleistift im Haarknoten über chemische Formeln referiert. Die Show wird zur allgemeinen Überraschung ein voller Erfolg, aber so schnell geben Elizabeth’ Gegner nicht auf …

Während in anderen Kochsendungen gut gelaunte Köche fröhlich ihren Sherry in sich hineinkippten, war 
Elizabeth Zott ernst. Sie lächelte nie.

aus: "Eine Frage der Chemie"

Es ist ein schillernder Streifzug durch eine Vergangenheit, in der Frauen wie Elizabeth hart um Anerkennung ringen müssen. Mit sprühendem Humor und klarem Blick zeichnet Garmus ihren Weg nach – den Weg einer bestrickenden Heldin, die sich durch Sturheit, Originalität und eine oft gefährliche Offenheit auszeichnet: Elizabeth lehnt Calvins Heiratsantrag ab, weil sie der Ehe grundsätzlich misstraut, sie bringt ihrem Hund namens Halbsieben Hunderte Wörter bei und outet sich bei ihrer Kochshow unverhohlen als Atheistin – in den 60er Jahren ein Tabubruch, der Elizabeth’ Popularität jedoch keinen Abbruch tut.

Bonnie Garmus setzt sich in ihrem Debütroman auf bezaubernde Weise mit den Anfängen der Frauen­emanzipation auseinander, mit zeitlosen Werten wie Freundschaft und Liebe, mit Familie und der Frage, was diese ausmacht. Herausgekommen ist ein hinreißendes Werk, das Unterhaltung und Tiefgang aufs Allerschönste vereint.

Irene Binal

Bonnie Garmus
Eine Frage der Chemie

Übersetzt von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel. 
Piper, 464 S., 22,– €,
ISBN 978-3-492-07109-3

Über die Autorin

Bonnie Garmus, geboren in Kalifornien, arbeitete als Kreativdirektorin in den Bereichen Medizin, Erziehung und Technologie. Sie lebte lange in Seattle, ist Mutter zweier erwachsener Töchter und lebt mit ihrem Mann heute in London. „Eine Frage der Chemie“ ist ihr erster Roman.