Vanessa Springora: DIE EINWILLIGUNG

Macht und Missbrauch

2. Juli 2020

Sie ist erst 14, als sie die Geliebte eines 50-Jährigen wird. Mehr als 30 Jahre später berichtet Vanessa Springora, was sie damals erlebt und erlitten hat und wie die Ereignisse ihr Leben dramatisch veränderten.

Es ist ihre eigene Geschichte, die Vanessa Springora in „Die Einwilligung“ erzählt. Eine Geschichte von Missbrauch und Manipulation, von Lügen und Vertuschung, aber auch von krimineller Pädophilie und krankhafter Sexsucht. 
Sie ist 14 Jahre alt, als sie Gabriel Matzneff, den sie im Buch nur „G.“ nennt, bei einer Abendgesellschaft in Paris kennenlernt. Der Schriftsteller zieht mit seinem Charisma und Esprit alle in den Bann – und er verschlingt das Mädchen mit den Augen, das von seiner Aufmerksamkeit verwirrt und geschmeichelt ist.

Von nun an schreibt G. ihr Briefe, oft mehrmals täglich, wirbt um sie, bis sie ihm endlich antwortet. „Ich bin vor Kurzem vierzehn geworden. Er wird bald fünfzig. Na und?“ G. verfolgt und überwacht sie, läuft ihr wie zufällig über den Weg und führt sie schließlich in seine winzige Dachwohnung. Vanessa ist wie gelähmt, als er sie streichelt, küsst und seine Hand unter ihren Pullover schiebt. Von da an ist sie G. verfallen: „Ich bin verliebt, fühle mich geliebt wie nie zuvor.“ 

Vanessa Springora
Die Einwilligung

Übersetzt von Hanna van Laak. 

Blessing, 

176 S., 20,– €

ISBN 978-3-89667-683-2

Straflose Pädophilie

Es beginnt die systematische Inbesitznahme durch einen Mann, der genau weiß, was er tut, und dessen pädophile Begierde kein Geheimnis ist – im Gegenteil. In seinen Tagebüchern, die ein Verlag publiziert, prahlt G. mit minderjährigen Geliebten und Sexreisen auf die Philippinen. Obwohl in Frankreich sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Minderjährigen verboten sind, schaut die Polizei weg, und unter Intellektuellen herrscht sogar eine Art stille Bewunderung für G.s Machenschaften. Zwei Jahre dauert die Beziehung, erst die Lektüre von G.s Tagebüchern öffnet Vanessa die Augen. Sie erkennt in G. den Lügner und Manipulator, für den nur zwei Dinge wichtig sind: „der Orgasmus und das Schreiben“.

Während G. ihre Beziehung schamlos literarisch ausschlachtet, benötigt die schwer traumatisierte Vanessa Jahre, um wieder ein normales Leben führen zu können. Ihr Buch deckt G.s skrupellosen Missbrauch auf und rechnet ab mit einer selbstgefälligen Literaturschickeria. Der Skandal ist groß und nun, endlich, wacht Frankreich auf: Gegen den heute 83-jährigen Matzneff ermittelt die Justiz. 

Daniel Seitz

Über die Autorin

Vanessa Springora, geboren 1972, studierte Literaturwissenschaften an der Sorbonne in Paris. Seit 2006 arbeitet sie als Lektorin bei dem Verlag Éditions Julliard, den sie ab dem kommenden Jahr leiten wird. Ihr ­autobiografisches Buch „Die Einwilligung“ („Le consentement“) ist im Januar in Frankreich erschienen und löste dort einen ­Skandal aus.