Krauthausen, Schwarz: WIE KANN MAN WAS BEWEGEN?

"Die Probleme sind zu groß, um auf die Politik zu warten"

25. November 2021

Raúl Krauthausen und Benjamin Schwarz haben mit Aktivist:innen gesprochen, die gegen Klimakrise und soziale Ungerechtigkeit, gegen Barrieren im Alltag und in den  Köpfen kämpfen. Ein ermutigendes Plädoyer, gemeinsam für eine Sache aufzustehen.  Wir haben uns mit den Autoren über ihr Buch unterhalten.

Der Untertitel Ihres Buchs lautet „Die Kraft des konstruktiven Aktivismus“. Was verstehen Sie darunter?
Bisher ging es vor allem darum, Probleme aufzuzeigen, heute geraten Aktivistinnen und Aktivisten zunehmend in die Situation, Lösungen aufzuzeigen. Das ist neu im politischen Aktivismus. Aber wir stehen vor Problemen, die zu groß sind, um auf die langsamen Prozesse parlamentarischer Politik warten zu können. Deshalb nehmen Aktivistinnen und Aktivisten die Veränderung mittlerweile selbst in die Hand. 

Wie haben Sie Ihre Gesprächspartner:innen für das Buch ausgewählt? Ist es Ihnen leichtgefallen beziehungsweise waren Sie sich schnell einig?
Wir haben geschaut: Wer sind die spannendsten Aktivist:innen für unsere Fragen. Das ging sehr schnell. Wir waren erstaunt, dass wir mit einer Ausnahme ausschließlich Zusagen erhalten haben. Gern hätten wir noch mit Jan Böhmermann gesprochen, der allerdings aus zeitlichen Gründen absagen musste. Wir hoffen, das holen wir noch mal für unseren Podcast nach.

Was haben die Gespräche in Ihnen ausgelöst?
Es waren sehr bewegende Gespräche – in jeder Hinsicht. Nach fast jedem Gespräch sagten wir zueinander: Wow, was für ein Mensch, was für eine Geschichte. Es war auf vielen Ebenen inspirierend – gerade, weil uns so wenig Resignation und so viel positiver Gestaltungswille begegnet ist. 

Wir möchten eine lebenswerte Zukunft anhand von konstruktiven Ideen zur Veränderung der Gegenwart aufzeigen. 

Raúl Krauthausen und Benjamin Schwarz

Sie resümieren, man müsse, um aktiv für Ziele zu kämpfen, an eine positive Geschichte glauben, eine Fantasie entwickeln – Utopie statt Dystopie. Warum fällt uns das so schwer?
Grundsätzlich fällt es Menschen wohl leichter, Dinge schlecht zu finden, als an eine neue Idee zu glauben. Es erscheint vielen anstrengender, sich mit anderen hinter einer positiven Geschichte zu versammeln, als sie abzulehnen – sei es durch zynische Distanz oder durch Hass.  Menschen, die so denken, fehlt meist noch die Positiv-Erfahrung, wie es ist, wirklich für Veränderung zu sorgen, wirklich etwas zu bewegen. 

Die sozialen Medien bieten ja immense Möglichkeiten für die politische Arbeit, was Sie selbst thematisieren. Wie nutzen Sie diese für die Kommunikation Ihrer Ziele?
Einzelne Menschen erhalten durch die sozialen Medien eine bisher unbekannte kommunikative Reichweite. Die Gefahren, die damit einhergehen, wurden hinlänglich beschrieben – die Chancen werden aber noch zu wenig gesehen. Die neue Klimabewegung gäbe es ohne Social Media genauso wenig wie den Protest gegen ­rassistische Polizeigewalt unter #blacklivesmatter. Und das sind nur zwei der größten Beispiele. In der alltäglichen aktivistischen Arbeit sind diese Kanäle ebenfalls unverzichtbar: Unsere Inhalte würden sonst kaum jemand erreichen.

Was möchten Sie mit Ihrem Buch bestenfalls bewirken?
Im besten Fall möchten wir ein neues öffentliches Bild von Aktivismus etablieren. Wir wollen das Framing vom gewalttätigen Protest aufbrechen und zeigen, dass Aktivismus mittlerweile die politischen Aufgaben übernimmt, die der parlamentarische ­Apparat offenbar nicht mehr leisten kann. Und wir möchten eine lebenswerte Zukunft anhand von konstruktiven Ideen zur Veränderung der Gegenwart aufzeigen. 

Interview: Susanne Dietrich

Raúl Krauthausen, Benjamin Schwarz
Wie kann ich was bewegen? 

Die Kraft des konstruktiven Aktivismus. 
Edition Körber, 312 S., 18,– €, 
ISBN 978-3-89684-291-6