LGBTQ

Bußgeld, weil Warnhinweis auf Kinderbuch fehlt

12. Juli 2021

In Ungarn muss die Verlags- und Buchhandelsgruppe Líra 250.000 Forint Strafe zahlen, weil auf einem Kinderbuch in ihrem Laden in Szentendre kein Warnhinweis angebracht war, dass darin eine Familie mit gleichgeschlechtlichen Eltern vorkommt.

"Micsoda család!" heißt das Kinderbuch und ist eine ungarische Übersetzung des Märchens "Early One Morning" von US-Autor Lawrence Schimel. Herausgegeben hat es Szivárványcsaládokért Alapítvány, die Stiftung für Regenbogenfamilien. Sie hat zwar auf dem Klappentext angegeben, dass das Buch die Geschichte von "zwei Regenbogenfamilien" erzähle; auf dem Umschlag sind Namen und Logo der Stiftung zu sehen. Das schien aber nicht zu reichen. Líra Zrt. und der Verband der ungarischen Verleger und Buchhändler erwägen eine rechtliche Reaktion. Verbandspräsidentin Katalin Gál zeigte sich laut "Index" schockiert über die Situation. Da das vergangene Woche in Kraft getretene Gesetz keinen Durchführungsabschnitt enthält, also keinerlei Hinweise, wie es in der Praxis auszulegen ist, wartet der Verband auf die Stellungnahme des Gesetzgebers zur Anwendung des Gesetzes.

Aufgrund einer "Meldung von öffentlichem Interesse" hatte die Verbraucherschutzbehörde reagiert: Nach Angaben des anonymen Beschwerdeführers enthalte das fragliche Kinderbuch weder im Titel noch auf dem Einband einen Hinweis darauf, dass es dem Leser Inhalte zur alternativen sexuellen Orientierung vorstellt, schreibt das ungarische Nachrichtenportal "Index". Neben der Verhängung eines Bußgeldes aus Gründen des Verbraucherschutzes ordnete die Bezirksregierung Pest an, dass der Buchhändler sicherstellen muss, dass Kunden ihre Kaufentscheidung aufgrund "einer klaren Erklärung des nicht-traditionellen Inhalts des Buchs als wesentliches Merkmal treffen können." Wie die österreichische Zeitung "Der Standard" berichtete, hat sich zudem Landrat Richard Tarnai im Sender Hir TV geäußert: Bei dem Buch fehle der Hinweis, dass darin Geschichten erzählt würden, die nicht die "traditionellen Geschlechterrollen" abbildeten, sagte der Landrat, weshalb die Buchhandlung das Bußgeld in Höhe von 250.000 Forint (700 Euro) zahlen müsste. 

Die Behörde kontrollierte allerdings noch vor dem am 1. Juli verabschiedeten neuen ungarischen Gesetz zum "Verbot der Förderung und Darstellung von Homosexualität und der Darstellung von Sexualität um ihrer selbst willen". Es untersagt unter anderem Bildungsprogramme oder Werbung von Großunternehmen, die sich mit Homo- und Transsexuellen solidarisch erklären. Auch Aufklärungsbücher dazu soll es nicht mehr geben. Die Bezirksregierung in Pest verhängte das Bußgeld auf der Grundlage des "Gesetzes XLVII von 2008 über das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern".

Líra gehört neben Libri und Alexandra zu den drei größten ungarischen Verlags- und Buchhandlungsgruppen. Sie will zunächst in den kommenden Tagen ein Schild in ihren Läden anbringen: "Diese Buchhandlung verkauft auch Bücher mit nicht-traditionellem Inhalt".