Der spanische König Felipe VI würdigte den Weg, den sein Land seit der Franco-Diktatur hin zu Freiheit und zur Demokratie genommen hat. „Wir sind ein starkes und offenes Spanien, das sich den großen Herausforderungen der Welt stellt.“ Lobend hob der Monarch, dessen Vater sich beim Militärputsch gegen das postfaschistische Spanien auf die Seite der jungen Demokratie gestellt hatte, den Einzug der Nationalversammlung in die Frankfurter Paulskirche 1848 hervor. „Man muss nur das Monument von außen anschauen, um stolz zu sein auf den Mut der Deutschen und den kosmopolitischen Charakter der Stadt“, sagte er. Das war Balsam für hessische Ohren. Auch für Goethe, der in Weimar „Das Leben ist ein Traum“ von Pedro Calderón de la Barca auf die Bühne gebracht hatte, fand der König lobende Worte, wie für den Wirtschaftsstandort Frankfurt. Für den spanischen König und Königin Letizia bildet die Station am Main den Abschluss ihres Staatsbesuchs in Deutschland, der sie am heutigen Mittwoch noch zur Europäischen Zentralbank führen wird.
Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sind Bücher nicht per sé gut, wie es der Buchmesse-Claim „Worte verbinden Welten“ nahelegt. „Kein Krieg, das erleben wir jetzt gerade wieder, ohne Pamphlete, ohne selbstrechtfertigende Reden, ohne Kampfschriften – und leider auch nicht ohne hasserfüllte Bücher und Artikel.“ Die Zerstörung von Bibliotheken und Verlagen in der Ukraine dürfe „uns nicht nur empören, sondern muss uns zu Hilfe und Unterstützung motivieren“. Der Philosoph Hans Blumenberg hat einen seiner geistesgeschichtlichen Problemkrimis „Die Lesbarkeit der Welt“ genannt – für Steinmeier beschreibt dieser Titel die eigentliche Verheißung jeden Buches: dass die Welt verständlich und erklärbar, dass sie der Vernunft zugänglich ist. „Die Bücher sind das unverzichtbare Mittel, die Welt, unser Leben, unsere Gesellschaft, kurzum: uns selbst verstehen zu können.“ Er freue sich auf den Stapel neuer spanischer Literatur, der im Wintergarten von Schloss Bellevue auf ihn warte.
Der spanische Autor Antonio Muñoz Molina („Tage ohne Cecilia“) blickte auf den Gastland-Auftritt Spaniens vor 31 Jahren zurück, bei dem er schon dabei war. Damals habe eine „gedankenlose, utopische Zuversicht“ unter den meist männlichen Autoren geherrscht. Heute sei die spanische Literaturszene vielgestaltiger geworden. „Frauen nehmen den ihnen gebührenden Platz in den Verlagskatalogen ein.“ Menschen mit Zuwanderungserfahrung würden die spanische Literatur weiter bereichern – fast sechseinhalb Millionen kamen in den letzten 31 Jahren nach Spanien. „Es werden die Töchter und Söhne dieser Einwanderer sein, die die Tür zu einer neuen Literatur aufstoßen.“
Die Autorin Irene Vallejo („Papyrus: Die Geschichte der Welt in Büchern“) warb für das Übersetzen, das aus nationaler Literatur Weltliteratur machen könne. Manche Bücher hätten den „Schiffbruch“ im eigenen Land nur vermittels einer Übersetzung im Ausland überlebt. Ganz am Ende ihrer Rede sprach sie die Simultandolmetscherinnen direkt an, die in den stillen, dämmrigen Kabinen hoch über dem Saal „Harmonie“ verlässlich ihrem Handwerk nachgehen. Ein schöner Moment.
Nach 90 Minuten eröffnet die Börsenvereins-Vorsteherin voller Vorfreude auf jede Menge bibliodiversidad y creatividad in den Hallen die 74. Frankfurter Buchmesse – mit dem Schlag eines sorgfältig desinfizierten Hammers. Man möchte Wetten abschließen, dass es eine in vielerlei Weise bemerkenswerte Veranstaltung wird.
BBL