Literaturnobelpreis für Abdulrazak Gurnah

"Ich dachte, das ist ein Scherz"

8. Oktober 2021

Der Literaturnobelpreis 2021 geht an den tansanischen Autor Abdulrazak Gurnah, den in Deutschland nur wenige Leser kennen. 

Der 1948 geborene Schriftsteller wuchs auf der Insel Sansibar auf, kam aber Ende der 1960er Jahre als Flüchtling nach Großbritannien. Er sei damals in das Schreiben "so hineingestolpert", so Gurnah, um sich von den Erfahrungen als Flüchtling zu befreien. Literatur als Fiktion könne Gräben füllen - und zeigen, dass es sich bei Migrationen in Wirklichkeit um komplizierte Geschichten handelt. 

Der 72jährige Gurnah ist erst seit kurzem als Professor englischer und post-kolonialer Literatur an der Universität von Kent in Canterbury emeritiert. Den Anruf der schwedischen Akademie soll er in der Küche seines Hauses in Canterbury entgegengenommen haben – und hielt die Nachricht erst für einen Scherz. „Es hat mir den Atem genommen“, sagte Gurnah gegenüber Associated Press. 

"Dass ein solcher Schrifsteller im Land der einstigen Kolonialherren praktisch unbekannt ist, wirft ein weiteres grelles Schlaglicht auf die skandalös verspätete Auseinandersetzung mit der imperial-kolonialen Vergangenheit Deutschlands", kommentiert Richard Kämmerlings in der "Welt" und begrüßt die Entscheidung der Schwedischen Akademie: "Mit den Geschichten aus einer bestimmten Region der Welt werden auch Schicksale und Lebensgeschichten in den Fokus gerückt, die mit unseren eigenen manchmal weit mehr zu tun haben, als wir denken."