Buchcharts – die aktuellen Bestsellerlisten

Sophie Passmanns "Gänsehaut"-Buch erobert Platz 1

10. März 2021

Beim Sachbuch startet die streitlustige Sophie Passmann mit "Komplett Gänsehaut" ganz oben in den Charts, bei der Belletristik holt Christian Krachts "Eurotrash" den zweiten Platz. Neu dabei sind auch Takis Würger und Mai Thi Nguyen-Kim. Die aktuellen Bestsellerlisten auf Börsenblatt online.

Die Wochencharts auf Börsenblatt Online

Ermittlungszeitraum: 1. bis 7. März 2021

Sachbuch: Passmann teilt aus

Ein Raketenstart auf Platz 1 gelingt Sophie Passmann mit "Komplett Gänsehaut" (Kiepenheuer & Witsch; ET: 4. März) in den Sachbuchcharts (Hardcover). Nach ihrem Bestseller "Alte weiße Männer" (2019) und ihrem Band in der Kiwi Musikbibliothek über Frank Ocean (2019) sei "Komplett Gänsehaut" Passmanns drittes Buch bei KiWi, so der Verlag. Ihr Prolog beginnt denn auch musikalisch: "Also: Ich halte es für überbewertet, mit siebenundzwanzig zu sterben. Ich denke, Jimi Hendrix und Janis Joplin haben da wirklich einen Fehler gemacht. Mit siebenundzwanzig fängt alles erst an, die ganze Jugend ergibt erst Sinn, wenn man lang genug durchhält, um sie hinter sich gebracht zu haben. Im Nachhinein von allem erzählen, das ist doch das eigentlich Geile. Dann ist alles nur noch Anekdote und Nostalgie und nicht Weltschmerz und Anstrengung." Richtig: Die Autorin ist im Januar 27 Jahre alt geworden. Laut "Süddeutscher Zeitung" hat sie "eine bittere große Kritik ihrer Generation, der Millennials", geschrieben. Die Startauflage beträgt laut Verlag wie bei Christian Kracht 70.000 Exemplare.

Mona Lang, die Lektorin von Passmann, sagt auf Anfrage zum Buch der neuen Spitzenreiterin: "Ein autofiktionaler Text, eine sprachlich genau konzipierte Suada, ein Buch, das man in einem Rutsch lesen muss, weil es so böse ist und weil die Protagonistin heftig austeilt, gegen uns alle, aber am härtesten gegen sich selbst. Der ein oder andere muss sich sicher noch daran gewöhnen, dass junge Frauen solch wütende literarische Texte schreiben und damit auch klar Kritik an unserer Gesellschaft üben. Aber Platz 1 der Bestsellerliste beweist auch, dass viele längst bereit sind dafür."

Tobias Becker zeigte sich im "Spiegel" begeistert: Das Buch ersetzte "einen Regalmeter soziologischer Gegenwartsliteratur". Juliane Bergmann spricht in Ihrer Kritik für den NDR von einer "scharfsinnigen und scharfzüngigen Analyse der Millennials", räumt aber ein, emotional gehe das Buch nicht allzu nahe.

Und was sagen der Kölner Verlag zum Lockdown-Ende? "Dass die Buchhandlungen jetzt wieder öffnen dürfen ist für alle Verlage ein Segen. Bücher können wieder leichter entdeckt und empfohlen werden", so Sabine Glitza, Vertriebsleitung. Und die in den Bestsellerlisten platzieren Titel könnten einem breiteren Publikum präsentiert werden. "Wir unterstützen den Handel schon seit dem Lockdown durch Aktionen mit signierten Exemplaren. Weitere Aktivitäten rund um die Öffnung der Läden planen wir derzeit nicht."

Auch auf die Plätze 2 und 3 rücken Neueinsteiger*innen: Die populäre Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim, die unter anderem das WDR-Magazin "Quarks" moderiert und den Youtube-Kanal "maiLab" (1,2 Millionen Abonnenten) betreibt, legt nach "Komisch, alles chemisch!" (2019) mit "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit" (Droemer; ET: 1. März) einen weiteren Bestseller vor. Neu auf Platz 2. Diesmal widmet sich die 33-Jährige "brennenden Streitfragen unserer Gesellschaft", will mit Fakten Halbwahrheiten und Verschwörungsmythen aus den Angeln heben und zeigen, wo Streiten noch Sinn hat. Ihr Credo führt sie im Vorwort aus: "Nur wenn man bei einem Streit auf dem Fundament einer gemeinsamen Wirklichkeit steht, funktioniert Streit, funktioniert Debatte, ohne dass wir uns wie aufgezogene Frösche ins Gesicht springen müssen. Vielleicht macht Streiten so auch wieder Spaß." Ihre Themen reichen von Legalisierung von Drogen, Videospiele und Gewalt, Gender Pay Gap bis zu Tierversuchen.

Den dritten Platz ergattert auf Anhieb Oberstaatsanwalt Ralph Knispel mit seinem Alarmruf "Rechtsstaat am Ende" (Ullstein; ET: 1. März). Er analysiert Fehlentwicklungen der deutschen Justiz, die seiner Ansicht nach etwa mit der Personalknappheit oder jahrelang verdrängten Problemen der Clankriminalität zusammenhängen. Knispel zeigt laut Klappentext mögliche Lösungswege auf.

Belletristik: Kracht, Würger und Otoo

Mit "Eurotrash" (Kiepenheuer & Witsch; ET: 4. März) schrammt Christian Kracht haarscharf am Thron vorbei – er holt sich als Neueinsteiger jedoch gleich Platz 2. Worum geht es bei seinem neuen Roman? "'Eurotrash' knüpft an 'Faserland' an, nimmt viele Motive wieder auf, hat einen Erzähler, der Christian Kracht heißt und der vor 25 Jahren einen Roman namens 'Faserland' geschrieben hat", erläutert Helge Malchow (Editor at large und Lektor von Christian Kracht) auf Anfrage. Der Roman "Faserland" sei 1995 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen, danach vier weitere Romane und drei Bände mit Erzählungen und Reiseberichten. "'Faserland' wurde bei seinem Erscheinen gründlich missverstanden, als sogenannte Popliteratur, und gilt heute als ein historischer Einschnitt in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur", ordnet Malchow ein.

Auch diesmal, in "Eurotrash", gehe es um eine Reise, aber nicht von Sylt durch Deutschland nach Zürich, sondern von Zürich aus durch die Schweiz. Zugleich sei es "eine Reise ins Innere einer abgründigen Familie, an der Seite einer gehassten und geliebten Mutter, und eine Reise ins Dunkeldeutschland der Nazizeit und der Nachkriegsjahre". Zum Stil Krachts sagt Malchow: "Literatur ist Kunst, deren Ausdrucksformen die Sprache ist. Diese wird bei Christian Kracht nicht nur überaus originell und subversiv eingesetzt, sondern zugleich reflektiert und thematisiert." Und er ergänzt: Die Zusammenarbeit mit dem Autor mache nicht nur Spaß, "sondern ist immer wieder eine produktive geistige Herausforderung, die ungemein bereichert".

Die Startauflage von "Eurotrash" liegt laut Verlag bei 70.000 Exemplaren. Weitere Infos zu Christian Kracht auf seiner Websitewww.christiankracht.com

Krachts neues Buch hat offenbar auch den Verkauf der TB-Ausgabe von "Faserland" (Fischer Tb.) angeschoben: Es habe Verkäufe über alle Vertriebswege hinweg gegeben, heißt es aus dem Frankfurter Verlag.

Neu auf Platz 14: In "Noah – Von einem, der überlebte" (Penguin; ET: 1. März) schildert der Journalist und Autor Takis Würger die Lebensgeschichte von Noah Klieger (1925–2018), der Auschwitz überlebte und später ein bedeutender israelischer Journalist und Sportfunktionär war. 1947 organisierte er die Überfahrt anderer Holocaust-Überlebender mit der "Exodus" nach Israel. Klieger vermittelte zeitlebens seine schrecklichen Erlebnisse als Zeitzeuge. Würgers Buch sei "ein wichtiger Beitrag zur Erinnerung an die Schoa", so die "Jüdische Allgemeine". Nachworte steuern Sharon Kangisser Cohen, Herausgeberin der Zeitschrift Yad Vashem Studies und Leiterin des Eli and Diana Zborowski Centre for the Study of the Aftermath of the Holocaust am Internationalen Institut für Holocauststudien in Yad Vashem, und Alice Klieger, die Nichte Noah Kliegers, bei. Damit holt sich Würger quasi ein Qualitätssiegel für seinen neuen biografischen Roman ein. Mit seinem vorigen Roman "Stella" (2019 bei Hanser erschienen) über die historische Figur der Stella Goldschlag, die als jüdische Gestapo-Kollaborateurin Juden im "Dritten Reich" denunziert hatte, hatte Würger zwar einen Bestseller, aber auch eine kontroverse Debatte in Literaturkritik und im Buchhandel entfacht.  

Börsenblatt online hatte darüber berichtet (in Auswahl):

Neu auf Platz 23 der Hardcover-Charts ist mit "Adas Raum" (S. Fischer; ET: 24. Februar) der erste Roman der Bachmann-Preisträgerin 2016 Sharon Dodua Otoo. Die britisch-deutsche, schwarze Schriftstellerin und Aktivistin verknüpft Lebensgeschichten vieler Frauen über Jahrhunderte und Kontinente, zeigt was Frausein bedeutet. Ihre Hauptfiguren tragen den Namen Ada. In seinem Kern erzähle das Buch von Herkunft und von Identität, befand Deutschlandfunk Kultur: "Damit liegt es absolut im Trend aktueller Debatten und Diskurse und fügt sich zu vielen anderen Titeln dieses Bücherfrühjahrs." Ganz überzeugt habe Otoos Debüt aber nicht. Von einer "funkenstiebenden artistischen Erzählkonstruktion", sprach dagegen Literaturkritiker Denis Scheck, die das Buch zu einem "literarischen Abenteuer" mache.

Zur Entstehung von "Adas Raum" und Inspirationsquellen hat Sharon Dodua Otoo auf Facebook in eine Leseliste zusammengestellt und kommentiert, die S. Fsicher auf seiner Website dokumentiert.

Für neuen Spannungsstoff in der Hardcoverliste sorgen etwa die beiden Neueinsteiger Joël Dicker ("Das Geheimnis von Zimmer 622"; Piper; Platz 5 – ET: 1. März; Ü: Amelie Thoma und Michaela Meßner) und Marc Elsberg ("Der Fall des Präsidenten"; Blanvalet; Platz 10 – ET: 1. März).

Neues aus der Reihenwelt

Bei der Belletristik sind im Hardcover, Paperback und Taschenbuch wieder etliche neue Reihentitel in die Charts gerückt – hier im Überblick:

  • Platz 19 (HC): "Mieses Spiel um schwarze Muscheln" (Lübbe; ET: 26. Februar) von Bernd Stelter (seine Website: http://www.bernd-stelter.de/). Ein neuer Camping-Krimi mit Inspecteur Piet van Houvenkamp. Band 3 der Holland-Krimi-Reihe des Kabarettisten, Comedians und Autors.
  • Platz 2 (PB): "Böse Häuser" (Pendo; ET: 1. März). Ein Alpen-Krimi von Nicola Förg. Band 12 der Reihe um Kommissarin Irmi Mangold, die hier erstmals zusammen mit Kommissar Gerhard Weinzirl, bekannt aus Förgs Oberbayern-Krimis, ermittelt.
  • Platz 4 (PB): "Das Grab in den Schären" (Kiepenheuer & Witsch; ET: 4. März; Ü: Dagmar Lendt) von Viveca Sten (zu Ihrer Website). Der zehnte Fall für den schwedischen Ermittler Thomas Andreasson.
  • Platz 5 (PB): "Woanders ist es auch nicht ruhiger" (Piper; ET: 1. März) von Andrea Sawatzki (zu ihrer Website). Band 5 der Bundschuh-Reihe der Autorin und Schauspielerin. Im ZDF läuft die Verfilmung der Familiengeschichte, Andrea Sawatzki und Axel Milberg verkörpern darin das Ehepaar Gundula und Gerald Bundschuh.
  • Platz 14 (PB): "Die Meisterin: Alte Feinde" (Knaur; ET: 1. März) von Markus Heitz (seine Website: https://www.mahet.de/). Teil 3 der Dark-Fantasy-Reihe "Die Meisterin" mit Dämonen und Vampiren.
  • Platz 15 (PB): "Flaming Clouds – Der Himmel in deinen Farben" (Piper; ET: 1. März) Gabriella Santos de Lima. Erster Band der New Adult-Romantik-Serie "Above the Clouds", Protagonistin hier ist eine Flugbegleiterin.
  • Platz 7 (TB): "Happy Ever After – Wo Geschichten neu beginnen" (Piper Tb.; ET: 1. März; Ü: Sonja Hagemann) von Jenny Colgan. Dritter Band der Reihe "Happy Ever After". Ein Sommer-Liebesroman der "Queen of feel-good" (Woman's Weekly).
  • Platz 24 (TB): "Der Nordseehof – Als wir den Himmel erobern konnten" (Piper Tb.; ET: 12. März) von Regine Kölpin (zu ihrer Website). Der Abschlussband der ostfriesischen Trilogie "Der Nordseehof" um drei Frauen aus drei Generationen setzt 1993 ein. Er ist bereits durch Vorab-Käufe in die Charts gerückt.

Ratgeber: Fastenzeit

Bei den Ratgebern finden sich gleich sieben neue Titel. Die Premieren, bei denen es passend zur vorösterlichen Fastenzeit vor allem ums Abnehmen und Ernährung geht, im Überblick:

  • Platz 4: "Abnehmen garantiert" (Gräfe und Unzer; ET: 2. März) von Petra Bracht
  • Platz 5: "Weber's Gasgrillbibel" (Gräfe und Unzer; ET: 2. März, 1. Auflage) von Manuel Weyer
  • Platz 8: "Rosarotes Glück" (Gräfe und Unzer; ET: 2. März) von Susan Sideropoulos
  • Platz 12: "Diabetes Ratgeber: Genussvoll abnehmen mit Diabetes" (Wort & Bild; ET: 8. Januar) von Anne-Bärbel Köhle
  • Platz 13: "Natürlich abnehmen" (Knaur Balance; ET: 12. Januar) von Felix Klemme
  • Platz 24: "Wunderwaffe Basenfood" (Becker Joest Volk; ET: 22. Januar) von Jürgen Vormann und Karola Wiedemann
  • Platz 25: "On / Off Gesundheit" (Consult Media; ET: 1. Januar) von Andreas Jopp

Mit der Ernährungs-Docs-Reihe hat der ZS Verlag im März laut Mitteilung die Millionen-Marke verkaufter Titel geknackt. Siehe Börsenblatt online:

Zwei Titel der Reihe finden sich aktuell in unseren Ratgebercharts:

  • Platz 6 (Vorwoche: 2): "Die Ernährungs-Docs – Gesund und schlank durch Intervallfasten" (ZS Verlag; ET: 8. Januar)
  • Platz 22 (Vorwoche: 9): "Die Ernährungs-Docs – Zuckerfrei gesünder leben" (ZS Verlag; ET: 6. Januar)

Die Ernährungs-Docs sind Matthias Riedl, Anne Fleck, Jörn Klasen und Silja Schäfer.

An die Spitze der Charts klettert TV-Koch Steffen Henssler mit "Hensslers schnelle Nummer" (Gräfe und Unzer; ET: 2. März). Stefanie Stahl fällt damit auf den zweiten Platz.

Der Link zu den Wochenlisten:

https://www.boersenblatt.net/news/bestseller

In dieser Woche gibt es insgesamt 36 Neueinsteiger und acht Wiedereinsteiger.

Am längsten in den Wochencharts sind – die Top 3:

  1. Giulia Enders: "Darm mit Charme" (Ullstein, aktualisierte Neuauflage 2017) – 190 Wochen beim Sachbuch (Paperback)
  2. Daniel Kahneman: "Schnelles Denken, langsames Denken" (Penguin, TB-Ausgabe 2016) – 188 Wochen beim Sachbuch (Taschenbuch)
  3. Stefanie Stahl: "Das Kind in dir muss Heimat finden" (Kailash, 2015) — 181 Wochen in der Ratgeberliste.

Über die Bestsellerlisten

Die Börsenblatt-Bestsellerlisten basieren auf Verkaufszahlen, die von unserem Kooperationspartner Media Control erhoben werden. Hierzu werden wöchentlich, elektronisch die Verkaufszahlen aus den Warenwirtschaftssystemen von deutschlandweit mehr als 6.550 Verkaufsstellen ausgelesen: Sortimentsbuchhandlungen inklusive eCommerce, Bahnhofsbuchhandel, Kauf- und Warenhäuser sowie Elektro- und Drogeriemärkte. Bezogen auf das Umsatzvolumen bilden die Daten 88 Prozent des gesamten deutschen Buchmarktes ab. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.

Text: Matthias Glatthor (Börsenblatt)