Auszeichnung der Stadt Fürth

Wassermann-Literaturpreis für Eva Menasse

28. Oktober 2022

Die Autorin Eva Menasse erhält den mit 10.000 Euro dotierten Jakob-Wassermann-Literaturpreis der Stadt Fürth 2023. In einem unverwechselbaren, lakonisch-pointierten Stil seziere sie in ihrem Werk moderne Befindlichkeiten und historische Verwerfungen, heißt es in der Begründung.

Das habe der Stadtrat einstimmig beschlossen, teilt die Stadt Fürth mit. Eva Menasse, 1970 in Wien geboren, arbeitete zunächst als Journalistin. Seit ihrem Debütroman "Vienna" 2005 ist sie als Schriftstellerin ein fester Begriff. Sie veröffentlichte weitere Romane – als jüngstes Werk erschien 2021 "Dunkelblum" – Erzählungen und Essays und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet.

Eva Menasse gehört zu den Mitbegründer:innen der Schriftstellervereinigung PEN Berlin und wurde im Juni 2022 neben Deniz Yücel zur Sprecherin gewählt. Die Autorin lebt seit längerem in Berlin.

Das Kuratorium des Jakob-Wassermann-Literaturpreises der Stadt Fürth begründet seine Entscheidung wie folgt: Eva Menasse erhalte den Preis 2023 "in Anerkennung ihres facettenreichen erzählerischen und essayistischen Werks, das in einem unverwechselbaren, lakonisch-pointierten Stil moderne Befindlichkeiten und historische Verwerfungen seziert und damit seinem Publikum – ganz in der Tradition jenes aufgeklärten Humanismus, den auch Jakob Wassermann repräsentiert – ebenso erhellende wie beglückende Momente zu vermitteln versteht."

Die deutsch-österreichische Schriftstellerin Eva Menasse, eine auch in gesellschaftlichen Debatten engagierte, deutlich vernehmbare Stimme, habe schon mit den "Lässlichen Todsünden", ihrem ersten Erzählband, zu einem ganz eigenen, unverwechselbaren Stil gefunden, geprägt von psychologischem Raffinement, entlarvendem Witz und einer eher unterkühlten Sprache. Das Romandebüt "Vienna" schreibe diesen Stil konsequent fort. Erzählt wird die Geschichte einer Wiener Familie mit teils jüdischen, teils nicht-jüdischen Wurzeln, deren Mitglieder selbst wortmächtig sind und ihre Schicksale in anekdotisch-pointierter Form vor uns entfalten. Der Humor trage dabei oft genug auch bittere Züge, Verfolgung, Exil und Tod bilden einen düsteren Erfahrungshintergrund. Eine gewisse Nähe zu den Abwehrmechanismen der jüdischen Witzkultur sei unverkennbar.

Das Kuratorium fährt fort: "In weiteren Erzähltexten Menasses werden moderne Befindlichkeiten seziert, und das in so vielen Facetten, dass daraus beinahe schon eine Comédie humaine im Balzacschen Sinne entsteht. Mit 'Dunkelblum', dem letzten Roman in diesem weit gespannten, auch der Essayistik verpflichteten OEuvre, wird die sog. zweite Schuld, das Verschweigen der NS-Verbrechen in der Nachkriesgzeit, zum beherrschenden Thema." Ereignisse im Wendejahr 1989 versetzen Dunkelbum, eine fiktive, aber nach realem Vorbild gestaltete burgenländische Kleinstadt, in Aufruhr. Die Befragung der Vergangenheit beginne, und Schritt für Schritt wird das verdrängte Verbrechen, ein Massaker an jüdischen Zwangsarbeitern, enthüllt. "Die umsichtige Ökonomie dieses Erzählens beeindruckt ebenso wie der aufklärerische Impetus, der – dafür sorgt wieder der abgründige Humor – ohne moralischen Zeigefinger und ohne falsche Betroffenheit auskommt", so das Kuratorium.

​​​​​​​Zum Preis

Der Jakob-Wassermann-Literaturpreis der Stadt Fürth wird seit 1996 vergeben, um die Erinnerung an den bedeutenden Romancier zu pflegen, der 1873 in der Kleeblattstadt geboren wurde. Die Auszeichnung ist mit 10.000 Euro dotiert und soll in deutscher Sprache publizierende Autorinnen und Autoren würdigen, die sich wie Wassermann für Humanität, Toleranz und Gerechtigkeit einsetzen.

Bisherige Preisträgerinnen und Preisträger

Edgar Hilsenrath (1996), Hilde Domin (1999), Dagmar Nick (2002), Sten Nadolny (2004), Uwe Timm (2006), Robert Schindel (2007), Robert Schopflocher (2008), Feridun Zaimoglu (2010), Gerhard Roth (2012), Urs Widmer (2014), Gila Lustiger (2016), Barbara Honigmann (2018), Clemens Setz (2020).