Peter Prange: DER TRAUMPALAST

Freiheit, Film und große Träume

14. Oktober 2021

Im Berlin der 1920er Jahre ist der junge Konstantin Reichenbach von der schillernden Filmbranche ebenso fasziniert wie von der bezaubernden Rahel. In seinem neuen großen Zeitgeschichte-Roman taucht Peter Prange mit großer erzählerischer Kraft ein in die Roaring Twenties.

Berlin, 1917: Der Erste Weltkrieg ist fast vorbei und Konstantin Reichenbach, genannt Tino, genießt das Leben. Mit seinem Glücksbringer, einer Nelke im Knopfloch, flaniert der Spross einer angesehenen Bankiersfamilie durch die quirlige Hauptstadt, flirtet mit den Damen, gibt den Lebemann. Und er entdeckt seine Liebe zum Film, dem, davon ist er überzeugt, die Zukunft gehört. Geschickt sichert sich Tino den Posten des Finanzdirektors der neu gegründeten Universum Film AG, kurz: Ufa. Während er sich um finanzielle Belange kümmert, ist sein Freund, der Filmproduzent Erich Pommer, für die kreative Seite zuständig, plant künstlerisch wertvolle Streifen und legt den Grundstein für die Entwicklung der Ufa zur Traumfabrik.

Meisterlich zeichnet Peter Prange in seinem Roman die Goldenen Zwanziger in Berlin nach, eine irisierende Atmosphäre, ausschweifend und beseelt vom Freiheitsgedanken. „Es war wie eine Freiheitsexplosion in der Gesellschaft“, meint Prange. „In der Kunst, in der Literatur, auch in der Liebe – plötzlich gab es eine Libertinage, die man nie zuvor erlebt hatte.“ 

„Dem Film gehört die Zukunft.  Und da will ich dabei sein.“ Tino hob sein Glas. „Darauf lass uns trinken! Auf sprudelnde Gewinne!“

aus: "Der Traumpalast"

Freiheit sucht in „Der Traumpalast“ auch Rahel Rosenberg, die unbedingt Journalistin werden möchte und sich von wiederholten Absagen nicht beirren lässt. Im Lazarett, wo Rahel ihren Eltern zuliebe als Krankenschwester arbeitet, lernt sie Tino kennen, und zwischen den beiden entwickelt sich eine ungewöhnliche Liebesgeschichte. Denn Rahel besteht auf ihrer Freiheit, sie will weiterhin allein zum Tanzen gehen, wünscht sich eine Beziehung, die auf gegenseitigem Vertrauen basiert. In Tinos Elternhaus wird seine Liebe zu Rahel nicht gern gesehen, vor allem seine anti­semitische Mutter ist strikt gegen die Verbindung. 
Tino muss die Bande zu seiner Familie kappen, sich ganz auf Rahel einlassen – aber bald keimt in ihm das Misstrauen: Was tut Rahel, wenn sie allein ausgeht? Wen trifft sie, mit wem tanzt sie? Dann wird Rahel schwanger und Tino kämpft mit dem Verdacht, dass das Kind womöglich nicht von ihm ist … 

Peter Prange
Der Traumpalast

Im Bann der Bilder.
FISCHER Scherz, 
816 S., 25,– €, 
ISBN 978-3-651-02578-3

Düsternis hinter funkelnder Fassade

Peter Prange gilt als großer Erzähler deutscher Geschichte, und im neuen Roman stellt er einmal mehr seine Gabe unter Beweis, Vergangenheit literarisch erlebbar zu machen. Dabei war er, wie er selbst sagt, in der Schule in Geschichte bestenfalls Durchschnitt: „Geschichte um ihrer selbst willen hat mich nie interessiert. Die Leidenschaft dafür habe ich erst durch das Schreiben entwickelt.“ Wobei es ihm immer um ein sehr persönliches Anliegen geht: „Ich möchte verstehen, wie ich der geworden bin, der ich bin, und das hat mit der Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert zu tun. Manche Fragen setzen längerfristige Verarbeitungsprozesse voraus. Heute sehe ich geschichtliche Abläufe klarer als früher.“

Dieses Verständnis für historische Zusammenhänge schwingt in jeder Zeile seiner Romane mit, auch in „Der Traumpalast“. In einer klugen und beweglichen Prosa schildert Peter Prange eine Ära, hinter deren funkelnder Fassade sich viel ­Düsternis verbirgt: Die Hyperinflation vernichtet Existenzen, ­Antisemitismus ist allgegenwärtig und ein gewisser Adolf Hitler macht in München von sich reden. Gleichzeitig floriert das Filmgeschäft, und Prange lässt seine Leser hautnah teil­haben an Erich Pommers Visionen, den schwierigen Dreharbei­ten unter Regisseur Fritz Lang und den Intrigen und Ränkespielen um das weitere Schicksal der Ufa.

„Ich möchte verstehen, wie ich der geworden bin, der ich bin, und das hat mit der Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert zu tun.“ 

Peter Prange

Mühelos findet Prange die Balance zwischen historischer Genauigkeit und dramaturgischer Finesse, seine fiktiven Figuren passen sich nahtlos ihren authentischen Mitspielern an, und so entsteht das faszinierende Panorama eines glitzernden Jahrzehnts, in dem die Weichen für das kommende Unheil gestellt werden. Fesselnd ist Pranges neuer Roman, dramatisch und mitreißend – ein Buch, dessen 800 Seiten man geradezu verschlingt und süchtig wird nach mehr. Prange arbeitet derzeit am zweiten Teil seiner Saga, der im Herbst 2022 erscheinen soll: „Mit dem Exposé bin ich fast fertig. Dann kann ich mich wieder ganz in meine Figuren hineinfallen lassen.“

Irene Binal

"Das psychologische Element ist heute dasselbe wie damals"

Ihr Roman spielt in der Weimarer Republik. Wie kam es dazu?
Peter Prange: Wenn man sich mit der Nazizeit beschäftigt, fragt man sich natürlich, wie Hitlers Aufstieg möglich war. Das führt in die Weimarer Zeit, die man in einem Satz beschreiben kann: vom Freiheitsrausch zur kollektiven Selbstentmündigung. Dann erinnerte ich mich an zwei Figuren aus meinem Roman „Das Bernstein-Amulett“: Konstantin Reichenbach und seine Frau, ein ehemaliger Ufa-Star. Mit ihnen konnte ich die Weimarer 
Republik im Spiegel der Ufa zeigen.

Wie haben Sie zur Ufa recherchiert?
Ich habe einen guten Draht zur Ufa und fand dort interessante Quellen. Dabei erfuhr ich vieles, was ich nicht wusste, etwa, dass die Ufa als Propaganda­maschine des Militärs gegründet wurde und nach dem Krieg auf Drängen der Investoren ihre Ausrichtung änderte. Das führte zur kreativen Explosion.

Sie verwenden die Sprache der damaligen Zeit, die für uns oft abstoßend klingt …  
Wenn wir unsere Vorfahren politisch korrekt darstellen, werden wir nie begreifen, warum so viel schiefgelaufen ist. Das war alles in der Sprache schon angelegt. Mir ist diese Sprache dank meines 1886 geborenen Großvaters geläufig. 

Unsere Zeit wird oft mit der Weimarer Republik verglichen. Können Sie das nachvollziehen?
Unsere Freiheiten, etwa die Informationsfreiheit, wachsen uns immer mehr über den Kopf, und wenn es dann schwierig wird, kommt der Ruf nach einfachen Lösungen. Die Institutionen sind heute solider als damals, es wäre nicht so einfach, das System umzukrempeln. Aber das psychologische Element ist dasselbe: Je größer die Freiheit, desto größer wird die Unsicherheit, und je unsicherer die Menschen sind, umso mehr sehnen sie sich nach Autorität. 

Sie veröffentlichen pro Jahr einen Roman. Wie machen Sie das?
Zuerst entwerfe ich ein detailliertes Exposé, in dem ich die Entwicklung der Geschichte skizziere. Dann schreibe ich täglich im Schnitt vier Seiten. Wenn man an sieben Tagen die Woche arbeitet und sich nur zwei Wochen Urlaub im Jahr gönnt, kriegt man das hin. 

BIN

Über den Autor

Peter Prange ist Autor aus Leidenschaft und so gelingt es ihm, die eigene Begeisterung für seine Themen auf Leser und Zuhörer zu übertragen. Die Gesamtauflage seiner Werke beträgt weit über drei Millionen Exemplare. „Der Traumpalast“ ist sein vierter großer Deutschland-Roman. Die Vorläufer sind Bestseller, etwa sein zweibändiger ­Roman „Eine Familie in Deutschland“. „Das Bernstein-Amulett“ wurde erfolgreich verfilmt, der TV-Mehrteiler zu „Unsere wunderbaren Jahre“ begeisterte ein Millionenpublikum.