Ellen Sandberg: DAS UNRECHT

Liebe und Verrat

24. November 2022

Es ist das Trauma ihres Lebens, dem sich Annett endlich stellen will. Doch manchmal sollte man die Vergangenheit besser ruhen lassen. Ellen Sandbergs packender Roman „Das Unrecht“ erzählt von einer Schuld, die Leben zerstörte.

Jedes Jahr, wenn der Herbst naht, klopft bei Annett „der Krake“ an, um sie in einen dunklen Strudel hin­abzuziehen. Dann werden quälende Erinnerungen wach und die Narbe an ihrem Arm macht sich bemerkbar. Zwar ist die gezackte Linie längst verblasst, aber die Wunden von einst brechen wieder auf. Dass der Krake dieses Mal hartnäckiger ist, liegt daran, dass ein neuer Lebens­abschnitt beginnt: Nachdem der Sohn und die Tochter ausgezogen sind, orientieren sich Annett und ihr Mann kurz vor ihrer Silberhochzeit neu. Die beiden führen eine glückliche Ehe, die auf Vertrauen fußt. Keine Lügen und keine Geheimnisse – das haben sie sich kurz nach der Wende ­geschworen, als sie Wismar hinter sich ließen und nach Bamberg zogen. 

In diesem Herbst ist Annett obendrein auf Stellensuche. Überraschend macht ihr Mann Volker ihr das Angebot, in sein Immobilienmakler-Büro einzusteigen. Sie zögert, vielleicht wird ihr das zu eng. Volker drängt. Es kommt zum Streit, und Annett gibt spontan „dem Kraken“ nach und fährt in die alte Heimat, nach Wismar. Hier ereignete sich im Herbst 1988 das Drama ihres Lebens. Das Abitur war bestanden, Annett und ihr Freund Mischa genossen die Leichtigkeit eines liebestrunkenen Sommers und blickten doch sorgenvoll in eine reglementierte Zukunft. Damals gehörten sie zur „Villa-Clique“, zu der auch Volker, Peggy und Sandro zählten. Sie spielten in der Band „Tagebau“ und diskutierten über ihre Möglichkeiten in der DDR, über Glasnost und Perestroika und über die „Popelinejackenträger“ in Berlin, die keine Veränderung wollten. 

Keiner von ihnen ahnte, dass es das Jahr vor der Wende war. Und Annett bemerkte die heraufziehende Katastrophe nicht. Denn einer der fünf, die einander so blind vertrauten, wurde zum Verräter.

„Mich faszinieren Abgründe“
In ihrer alten Heimat an der Ostsee versucht Annett mit den Geschehnissen von damals abzuschließen. Aber je mehr sie in Wismar herausfindet, umso fraglicher wird, ob sie die Vergangenheit nicht besser hätte ruhen lassen. Und schließlich gerät ihr Leben erneut an einen Abgrund.

Mit erzählerischer und psychologischer Bravour entwickelt Ellen Sandberg erneut ein düsteres Familiendrama. „Mich faszinieren Abgründe und Geheimnisse“, sagt sie. „Die finstere Seite ist ja die interessantere.“ Bereits in ihren bisherigen Bestsellern wie „Das Erbe“, „Die Schweigende“ oder zuletzt „Das Geheimnis“ legte sie den erzählerischen Fokus auf „die Kräfte, die innerhalb einer Familie wirken“. 

In „Das Unrecht“ treibt Sandberg diese explosive Mischung aus Lebenslügen, Denunziantentum und dunklen Geheimnissen auf zwei Zeitebenen virtuos voran. Ein mitreißender Roman über die schwarzen Schatten ungesühnter Schuld. 

Text: Petra Mies

Ellen Sandberg
Das Unrecht

Penguin Verlag, 
416 S., 22,– €,
ISBN 978-3-328-60254-5
 

Über die Autorin

Ellen Sandberg hat viele Jahre in der Werbebranche gearbeitet, ehe sie sich ganz – mit großem Erfolg – dem Schreiben widmete. Ihre psychologischen Spannungs- und Familien­romane, immer platziert in den Top Ten der „Spiegel“-Bestsellerliste, bewegen und begeistern ein großes Publikum. Unter ihrem bürgerlichen Namen Inge Löhnig schreibt sie außerdem ­erfolgreich Krimis.