Prekäre Situation von Schriftstellern aufgrund der Corona-Krise

"Der Betrieb der Autoren ist ihr Kopf"

16. Juni 2020

100.000 bis 150.000 weniger Neuerscheinungen wird es bis ins Jahr 2021 in Europa geben, so das Ergebnis einer Umfrage von SYNDIKAT, Netzwerk Autorenrechte und European Writers’ Council. Besonders betroffen seien Kriminalschrifsteller*innen, so das SYNDIKAT.

Denn Spannungsliteratur ist das größte Segment der jährlichen belletristischen Neuerscheinungen, so das SYNDIKAT, der Verein für deutschsprachige Kriminalliteratur mit rund 750 Autor*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. "Viele unserer KollegInnen rutschen unverschuldet in eine prekäre Lage", erklärt Vorsitzender Jens J. Kramer. "Die Hilfsangebote des Bundes oder der Länder setzen Betriebsausgaben voraus, die AutorInnen nicht haben. Der Betrieb der Autoren ist ihr Kopf."

Ersatz für entfallene Vergütungen oder Honorare erhalten die Autor*innen nicht – das ist in den Verträgen nicht vorgesehen. "Auch die auf Lesungen folgenden Rezensionen fallen damit weg, die Bücher werden schlicht unsichtbar", betont Kramer. "Der Hinweis, dass die AutorInnen ja Hartz IV beantragen könnten, empfinden viele als zynisch."

Basierend auf der Umfrage des European Writers’ Council (EWC) hat das Netzwerk Autorenrechte (NAR) nun ein Strategiepapier veröffentlicht, "Krisenhilfe und Zukunftsinvestitionen für Autoren, Autorinnen, Übersetzerinnen und Übersetzer in Deutschland", in dem zwölf konkrete Vorschläge gemacht werden, wie das literarische Leben reaktiviert werden kann. Sei es ein LESEN!-Fonds nach Schweizer Vorbild, die Aktion LESEN MACHT SCHULE oder die Unterstützung lokaler Kooperationen.

"Es geht nicht um eine Extrawurst für Schriftstellerinnen und Schriftsteller", sagt Kramer, "sondern um Chancengleichheit. Unsicherheit gehört zu unserem Beruf, damit kommen wir zurecht. Aber wenn eine gut laufende Maschine gestoppt werden musste, muss man sie auch wieder in Gang setzen. Nichts anderes fordert ja auch die Bundesratsinitiative für Kulturschaffende."

Autor*innen, die im Frühjahr eine Neuerscheinung publizierten, fielen meist gänzlich unter den Bücher-Tisch. Für freiberuflich Schreibende bedeute dies den Verlust von einem bis drei Jahren Arbeit. Debüt-Stimmen würden gänzlich ihrer Chance beraubt, und so manche potentiell große SchriftstellerInnen dürften in der Corona-Krise für immer untergegangen sein, so das Syndikat. Das Gros der Autor*innen bestreite ihr Einkommen aus dem Honorar für Lesungen, Workshops und Seminaren, die seit Ende März abgesagt werden. Neue Lesungen würden weiterhin kaum vereinbart, auch, da die meist eher kleinen Lesungsstätten wie inhabergeführte Buchhandlungen die Hygienevorschriften nicht so umsetzen können, dass ein lohnenswertes Publikum Platz findet.