Judith Herrman: DAHEIM

Ein Gefühl von Glück 

3. Mai 2021

Einmal ließ sie eine Chance verstreichen, nun hofft sie auf ein neues Leben: Zart und eindringlich erzählt Judith Hermann in "Daheim" von einer Frau, die immer wieder aufgebrochen ist und endlich ankommen kann.

Vor 30 Jahren wollte ein Zauberer sie als Assistentin anwerben, weil sie klein genug war, um in die Kiste für den Trick mit der zersägten Jungfrau zu passen. Sie hätte mit ihm nach Singapur reisen können, aber sie lehnte ab. Heute wohnt sie in einem Dorf im Norden. Ihre Ehe ist gescheitert, ihre Tochter ständig auf Reisen, sie selbst arbeitet in der Kneipe ihres Bruders, schließt Freundschaft mit ihrer Nachbarin Mimi, beginnt eine zaghafte Affäre mit Mimis Bruder. In Judith Hermanns feinfühliger Prosa entsteht das eindrück­liche Bild einer Frau, die sich nur zögerlich auf ein neues Leben einlässt: „Ich will hier nicht bleiben. Ich will hier keine Wurzeln schlagen“, sagt sie zu Mimi; aber dann entwickelt sie doch Bindungen, beginnt sich daheim zu fühlen. 

Es ist ein leiser und verträumter Roman, der von Erinnerungen erzählt, von der Suche nach einer Heimat, von der Küstenlandschaft und ihren Menschen und davon, wie man der Kiste eines Zauberers entkommen kann.  RB

Judith Hermann
Daheim 

S. Fischer,
192 S., 21,– €,
ISBN 978-3-10-397035-7